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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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breitem Lachen.
    Mabel, die die Motive ihrer Schwester durchschaute, sagte: «Gib dir keine Mühe, Min. Er versteht kein Wort Englisch.»
    Min war enttäuscht. Sie blickte aber weiter mit wissendem Lächeln von Siegfried zu Mabel.
    Als es Mabel zu dumm wurde, sagte sie: «Willst du nicht guten Morgen sagen, Siegfried?»
    «Guten Morgen», sagte Siegfried, richtete sich kerzengerade auf, schlug die Hacken zusammen und zeigte seine blendendweißen Zähne.
    «Was sagt er?» fragte Min.
    «Ach, komm rein. Ich wasch mir nur die Hände, dann mach ich uns Tee. Komm mit.»
    «Kommt er auch mit rein?» fragte Min, als Mabel sich am Ausguß die Hände wusch.
    «Nicht wenn ich Besuch habe», sagte Mabel heiter. Sie drehte sich um und sah ihre Schwester an, während sie sich die Hände abtrocknete. «Schläft er hier? Das ist es doch, was du in Wirklichkeit wissen möchtest, nicht, Min?»
    «Ja», gab Min unumwunden zu.
    «Und das werd ich dir nicht sagen. So - komm, setz dich und sag mir, warum du gekommen bist.»
    Min erzählte es ihr. «Ach, du liebe Zeit», sagte Mabel. «So was Dummes! Jetzt werden sie sie rausschmeißen. Will nicht — der hat noch nie im Leben einen eigenen Entschluß gefaßt. Aber Lizzie. Sie würde die Kleine wahrscheinlich am liebsten umbringen, wenn sie könnte.»
     
    «Crystal, geh rauf und spiel in deinem Zimmer», befahl Edith.
    «Ich will aber nicht. Muß ich, Dad?»
    Albert sah unsicher aus. «Nun tu mal, was deine Mutter sagt, Kleines.»
    Crystal schob die Unterlippe vor. «Ich will aber mit Großtante Min reden.»
    Edith sprang auf, packte Crystal an der Schulter und schob sie aus dem Zimmer. Dann wandte sie sich zu Min um und sagte: «Nell also - das ist doch wohl nicht möglich!»
    Großtante Min nickte grimmig.
    «Ich hoffe, daß Dad sie jetzt vor die Tür setzt. Mich sieht er jedenfalls nicht mehr, solange sie im Hause ist.»
    «Ja. Es ist nicht recht», ließ sich Albert vernehmen. Eigentlich hatte er nichts zu diesem Thema zu sagen, aber er wußte, daß er irgendwas von sich geben mußte.
    «Nicht recht? Wenn ich an unseren Tom denke - so einen netten Jungen konnte man lange suchen. Und dann dieser — Taffy.» Edith war rot vor Zorn. «Aber im Grunde überrascht es mich nicht.»
    «Edith mochte sie eigentlich nie recht, nicht wahr, Edith», sagte
    Albert. Sicherheitshalber schlug er sich stets auf die Seite seiner Frau.
    «Ich hab nie begriffen, was Tom eigentlich an ihr fand», sagte Edith.
    Großtante Min eihob sich. «Also erzählt’s bitte nicht weiter. Ich fand bloß, ihr müßtet es wissen.» Befriedigt verließ sie das Haus.
     
    Nell wunderte sich, als Opa abends die Treppe hinaufstieg und mehr als zwei Stunden am Bett seiner Frau sitzen blieb. Als Nell Oma um neun Uhr ihren Schlaftrunk - eine Tasse Kakao — brachte, saß er immer noch da. Bei ihrem Eintritt brach die Unterhaltung der beiden ab, als wäre sie mit einem Messer abgeschnitten worden.
    «Hier, Oma, dein Kakao», sagte sie munter und stellte die Tasse ab. Doch es kam keine Antwort, nicht mal das übliche «Danke, Kind». Keiner sagte etwas, keiner sah sie an. Verwirrt und mit etwas unbehaglichen Gefühlen verließ Nell das Zimmer.
    Mabel hatte sich geirrt. Als das erste Entsetzen, der Kummer und der Zorn bei Oma abgeklungen waren, wurde ihr nämlich schnell klar, daß die Sache für sie zwei Seiten hatte - zwei sehr verschiedene Seiten. Ihre beiden Töchter waren beschäftigt, von ihnen war also nichts zu erwarten. Edith hatte ihren Mann und Alice die Verwundeten. Aber Oma brauchte Hilfe. Der bloße Gedanke an all die Arbeit machte ihr schon zu schaffen: zeitig aufstehen, Frühstück machen, Dinner vorbereiten, fegen, scheuern, waschen... Nein, einer mußte sich um sie und ihren Mann kümmern, das stand fest. Oma sagte also: «Bleiben kann sie meinetwegen. Aber nett zu ihr sein, kann ich nicht mehr.»
    «Das kann auch niemand von dir verlangen», entgegnete Opa. «Nach dem, was sie getan hat...»
     
    Nell durfte also bleiben. Sie machte weiterhin Feuer im Ofen und im Herd, kochte und besorgte die Wäsche und brachte Oma das Essen nach oben, denn nach dem Schock blieb die alte Frau nun fast immer im Bett. Doch es war, als sei eine Glaswand zwischen Nell und den beiden alten Leuten errichtet worden. Sie sprachen nur mit ihr, wenn sie etwas wollten, und behandelten sie mit Geringschätzung. Nell war todunglücklich. Fast fühlte sie sich unglücklicher als nach Toms Tod. Damals hatten sie ihr zwar auch nicht viel

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