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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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verliert Dad seine Arbeit.» Crystal war Realistin.
    Edith schwieg bedrückt. Das Kind hatte recht. Wie hieß es doch in dem alten Lied? Schweigt still, ihr tönenden Glocken. Wenn sie doch nur schweigen wollten! Edith konnte sich über den Frieden noch nicht freuen.
     
    «Unseren Tom bringt das nicht zurück», sagte Oma. «Glockenläuten - das ist nur etwas für Leute, die nichts durchgemacht haben. Die anderen...» Sie beendete den Satz nicht. Es war aber klar, daß sie das Glockengeläut für taktlos hielt.
    Opa schüttelte seufzend den Kopf. «Ich versteh das alles nicht. Vier Jahre Krieg. Unser Tom kommt nicht wieder, und Millionen andere auch nicht. Ich werde nie begreifen, warum die Menschen nicht in Frieden leben können. Warum es überhaupt Kriege geben muß.» Dabei hatte Opa selbst nach einem Streit wegen eines Grenzzauns mit seinem Nachbarn Fred Bates siebzehn Jahre lang kein Wort gesprochen und ein paarmal sogar heimlich Kartoffelschalen und andere Abfälle in Mr. Bates’ Garten geworfen.
     
    Nein - kein Mensch konnte behaupten, das Siegesgeläut brächte der Familie Dorman eitel Freude und Glück. Es löste sehr gemischte Gefühle aus, am deutlichsten vielleicht bei Nell, die um elf Uhr stumm ihren Jungen bei der Hand nahm und ihn hinaufbrachte in ihr Zimmer. «Setz dich, mein Liebling», sagte sie.
    Er hockte sich auf ihr Bett, und sie stellte sich ans Fenster und starrte nach draußen. Benbow baumelte mit den Beinen. Wenn Mam bloß nicht anfing zu heulen. Er mochte nicht, wenn sie das tat. In das Bild, das er sich aus seinen Erlebnissen vom Leben gemacht hatte, paßten weinende Erwachsene nicht hinein. Weinen taten nur Kinder; große Leute brachten einen entweder zum Weinen, oder sie sagten; Hör auf, du bist kein Baby mehr. Wenn Mam weinte, geriet Benbows Weltbild ins Wanken.
    So saß er da, und die Glocken läuteten das Ende aller Kriege ein. Er wartete, verschlossen und teilnahmslos, und wußte nicht, warum er dort saß und warum seine Mutter aus dem Fenster starrte. Nell hätte es ihm sagen können. Aber sie tat es nicht. Sie setzte sich nur schweigend zu ihm und nahm die warme kleine Jungenshand in ihre Hand.
    Sie fühlte nichts - gar nichts. Dies war seit vier Jahren der erste Tag, an dem Menschen nicht systematisch verstümmelt, geblendet, getötet wurden, der erste Tag, an dem sie nicht gegen Maschinengewehrfeuer und Bajonette anstürmen mußten. Und sie fühlte nichts.
    Tom war tot und kam niemals wieder. Auch der Sieg brachte ihn nicht zurück aus dem Grab. Nur eins stand fest: Benbow würde nie in den Krieg ziehen müssen. Soviel hatten die Menschen gelernt. Am n. November 1918 wußte jeder, daß sich dieser Wahnsinn nie wiederholen durfte.
    Benbow würde sein Leben in Frieden leben. Worte aus einem alten Lied kamen ihr in den Sinn: Lieb und Freude säumt die Wege, Frieden überall. Und obgleich sie noch immer nichts fühlte, stiegen ihr Tränen in die Augen. Das war die Welt, die Benbow erwartete, eine Welt aus Lieb und Freude. Sie und Tom waren zu früh geboren worden - o Gott, viel zu früh!
    Sie ließ Benbows Hand los und legte ihm zärtlich den Arm um die schmalen Schultern. Der Krieg war zu Ende, und sie fühlte nichts. Es war ein Augenblick, da Vergangenheit und Zukunft alles sind, und die Gegenwart nichts. Die Vergangenheit - und jetzt plötzlich überkam es sie wieder, mit schrecklicher Deutlichkeit: die vielen Abschiede. Erst die Kaserne in Derby und die paar gestohlenen Stunden am Wochenende; dann Salisbury - vier unerträglich lange Wochen; dann Frankreich — aber Weihnachten war bestimmt alles vorüber: langsam fuhr der Zug aus dem Bahnhof, der Dampf der Lokomotive ging über in den feuchten Oktobernebel, hundert Soldaten, alle gleich aussehend, winkten aus den
    Abteilfenstern, und mitten in der Menge aus Khaki und winkenden Armen war einer, der Leben und Liebe und Zukunft bedeutete. Allein kam sie zurück vom Bahnhof, allein und durchgefroren, ins Haus Omdurman, in das fremde Haus mit den fremden Menschen. Dann kam der letzte Abschied—und dann kam er nicht wieder. Nie wieder.
    Und die Zukunft, wie sah sie aus? Spaziergänge an leeren Sonntagnachmittagen. Oma und Opa, die mit den Jahren immer zerbrechlicher wurden und törichter. Und Benbow. Ein Segen, daß du den Jungen hast, hatten alle gesagt. So bist du doch nicht allein. Ach, das stimmte ja nicht. Sie liebte ihn, sie fand auch Trost in ihm, wenn sie den kleinen Körper in den Armen hielt - aber allein war sie

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