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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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Café blicke sie an und mustere das hübsche blaue Kleid, und Taffy lächelte zurück und drückte unterm Tisch sein Knie an das ihre. Nein, er war kein schöner Mann, dazu waren seine Züge zu grob. Aber das melancholische Lachen in seinen schwarzen Augen war einmalig. Und er ganz allein hatte sich auch das Essen im Café Boots ausgedacht. Schöner hätte es gar nicht sein können. Sie dachte an den Empfang nach ihrer ersten Hochzeit, in der Baptistenschule, als der alte Mann dem jungen Paar mit Ingwerbrause zutrank und dann sentimental wurde. Damals war Tom an ihrer Seite, heute war es Taffy. Konnte eine Frau denn zweimal lieben? Konnte sie einen Mann im Dunkeln an sich ziehen, obwohl sie den ersten noch liebte, ohne untreu zu sein? Ja, das konnte sie. Tom war Tom und blieb es: ruhig, gelassen, zuverlässig. Ihre Liebe zu ihm blieb das, was sie immer war, und würde sich nicht ändern. Und Taffy? Sie sah ihn an, und in aufwallender Zärtlichkeit schob sie ihre Hand in die seine. Ihre Liebe zu Taffy war noch nicht unveränderlich fest, sie würde noch wachsen und blühen, wie ein junger Baum. Vielleicht auch sterben wie ein Baum? fragte sie sich. Nein, das würde nicht geschehen. Die Jahre würden ihm Nahrung geben, er würde groß und stark werden. Und Taffy würde Tom nichts wegnehmen.
    Sie hatten ein kleines Einzelbett erstanden, das im Preis herabgesetzt, aber nicht verkauft worden war. Sie stellten es oben in Nells und Benbows Schlafzimmer. Als Benbow feststellte, daß er und nicht Mr. Evans in dem Bett schlafen sollte, gefiel ihm das gar nicht. Wo er doch so gern in Mams Bett schlief 1 . Sie war warm und weich und man konnte sich so schön an sie ankuscheln. Das liebte er sehr - aber das war doch nichts für einen erwachsenen Mann. Zumal Mam Mr. Evans noch gar nicht sehr gut kannte und bestimmt keine Lust hatte, mit einem fast Fremden im gleichen Bett zu schlafen.
    Doch zu seinem Erstaunen schien sie nichts dagegen zu haben. Diesmal versuchte er es mit einem Protest. «Ich möcht aber so gern bei dir schlafen, Mam. Ich glaube, Mr. Evans hat nichts dagegen. Der hat sicher viel lieber ein Bett für sich allein, Mam.»
    «Ich glaube nicht, mein Herz.»
    Also fügte sich Benbow und kletterte in sein neues Bett. Aber er war überzeugt, daß Mr. Evans, wenn er heute abend schlafen ging, doch noch mit ihm tauschen werde.
    Doch als Benbow am nächsten Morgen erwachte, saßen Mam und Mr. Evans nebeneinander in dem großen Bett und lächelten ihm zu. Und Mr. Evans dachte gar nicht daran zu tauschen, weder an diesem Morgen noch irgendwann später.
     

8
     
    Der Krieg war vorüber, es war Frieden. Aber in Ingerby änderte sich nicht viel. Das Jahr ging zu Ende, Weihnachten kam und brachte ein wenig Licht in die graue Welt. Und langsam kamen die Männer zurück, einzeln oder zu zweit, wie die Schneeflocken, die vom winterlichen Himmel zur Erde trieben. Hager, mit großen starren Augen kehrten sie heim, die Männer, die vier Jahre in einer von Menschen gemachten Hölle gelebt hatten (und niemand konnte das Leben besser zur Hölle machen als der Mensch), in nassen Erdlöchern wie ihre frühen Vorfahren, unaufhörlich der Angst ausgesetzt und dem lähmenden Schrecken, dem Lärm, den Kugeln und Mörsern und Granaten und Bajonetten, den Unteroffizieren, Offizieren, den hohen Gästen vom Stab, den Ratten und den Deutschen. Und dem Haß, den sie auf all das empfanden — außer vielleicht auf die Deutschen. Denn anders als die Zivilisten haßten sie die Deutschen nicht. Sie hatten eher Mitleid mit ihnen, manchmal Respekt, und oft auch Zorn, weil sie sich nicht geschlagen geben wollten. Für Engländer ist Haß ein sehr fremdes Gefühl. Deutsche Infanteristen waren für die englischen Soldaten nichts als arme Schweine, denen es genauso dreckig ging wie ihnen selber.
    Nun kehrten sie heim und stellten fest, daß nicht überall die Hölle gewesen war, daß die Häuser in der Heimat noch so standen wie zuvor, mit hellen Gaslampen und warmen Kohlenfeuern, daß die Straßen die gleichen Straßen waren wie früher, die Bahnen und Wagen fuhren wie früher, daß die Welt, die sie damals zurückgelassen hatten, tatsächlich immer noch da war: ein bißchen schäbig und grauer vielleicht, aber sie war da. Und was fast noch erstaunlicher war: die Leute in der Heimat hatten keineswegs jeden Abend Gott auf den Knien gedankt für all das, was ihnen geblieben war. Im Gegenteil: immer noch blühten Zank und Streit, hörte man Nörgeln und Klagen

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