Und der Wind bringt den Regen
erleuchtete Fenster schien hell über das schweigende Moor. Es war das zauberhafteste Weihnachten, das sie je erlebt hatte, dachte Mabel, bis ihr plötzlich einfiel: Nächstes Jahr! Im nächsten Jahr ist er in seiner Heimat bei Frau und Tochter, und ich hocke bei Lizzie und Will. Einen Augenblick wurde sie von Panik ergriffen und dachte: Nein — nein, das kann ich nicht. Sie schauerte zusammen, als sei auf einmal das nasse trübe Moor ins Zimmer gedrungen. Sie zog seinen Arm fester um sich, nahm noch einen tiefen Schluck Enzian und hielt ihm das leere Glas hin. Er füllte es, und sie stießen an. «Prost, Lieber — auf alles, was du dir wünschst»,! flüsterte sie und blickte ihn mit traurigem Lächeln an. Zärtlich küßte sie die graue eingefallene Wange und dachte: Wenn mich Lizzie jetzt sehen könnte...
Für Benbow fing Weihnachten nicht gut an. Es war noch dämmerig, als er aufwachte und sah, daß es draußen gefroren hatte, denn das Fenster war zugefroren, die Scheibe hatte ein dichtes Muster aus Blättern und Blumen. Doch dann sah er, daß der Strumpf, den er ohne viel Hoffnung ans Fußende seines Bettes gehängt hatte, gefüllt war. Komisch — es gab also doch einen Weihnachtsmann.
Da war aber noch etwas. In dem weißlichen Licht, das durch das vereiste Fenster drang, sah Benbow einen Gegenstand am Fußende seines Bettes stehen. Etwas Großes. Ein bißchen Angst mischte sich in seine Neugier, obgleich das Ding ganz still stand und keinen Laut von sich gab.
Er sah zum anderen Bett hinüber. Mam und Mr. Evans saßen da und lächelten ihm zu. «Was ist das?» fragte Benbow.
«Sieh’s doch mal an», meinte Mr. Evans.
Er sprang aus dem Bett und stand auf dem eiskalten Linoleum, «’n Auto», sagte er überwältigt.
«Stimmt», sagte Mr. Evans. «Setz dich mal rein.»
Aber Benbows Gedanken liefen schon weiter. «Wie hat er das durch den Schornstein bekommen?» fragte er.
«Ach weißt du, er hat eine Menge Übung mit Schornsteinen», meinte Mr. Evans.
«Erkälte dich nicht, mein Junge», sagte Mam.
Benbow betrachtete erst das Spielauto und dann den engen Kamin. «Geht nicht. Bestimmt nicht», sagte er fest.
«Nun fahr doch mal los, Junge», sagte Taffy Evans ungeduldig. Schließlich hatte er nicht den alten Kinderwagen gekauft, das Chassis mit Sperrholz umbaut und Pedale und Lenkrad einge-’ setzt, um an einem eiskalten Morgen über den Transport zu diskutieren.
«Und Ruß ist auch gar nicht drauf», sagte Benbow mißbilligend.
Nell hätte ihn schütteln mögen. Als sie gesehen hatte, was Taffy für den Jungen (und damit auch für sie) getan hatte, war sie glücklich und dankbar gewesen. Ein Mann, der sich so etwas ausdachte und seinem Stiefsohn zuliebe ausführte, mußte sehr viel Liebe in sich haben, dachte sie. «Ist das nicht lieb vom Weihnachtsmann», sagte sie und drückte Taffy unter der Bettdecke die Hand.
«Vielleicht hat er’s durchs Fenster reingebracht», meinte Benbow fragend.
«Du kannst im Hof hinter dem Laden damit fahren», sagte Nell.
Jetzt sprang Taffy aus dem Bett, packte Benbow, setzte ihn nicht sehr sanft in den Fahrersitz und schob ihn ein paarmal rund ums Zimmer. Dann kroch er ins Bett zurück, mit einem Glitzern in den Augen und einem schmalen Lächeln um die gepreßten Lippen. Nell sah ihn ängstlich an. War das Ausgelassenheit, oder platzte ihm gleich der Kragen? Sie hatte ihn noch nicht zornig erlebt. Sie nahm seine Hand und sah ihn an. «Alles in Ordnung, Lieber?» fragte sie.
Sein Atem ging etwas schwer, aber daran konnte auch die Anstrengung des Schiebens schuld sein, oder die beißende Kälte. Er nickte kurz, sah sie aber nicht an.
«Durch den Schornstein kann er es nicht geschafft haben», erklärte Benbow abschließend.
Es war wirklich traurig: das erste Weihnachtsfest nach dem Krieg brachte Will und Lizzie Dorman nichts als Kummer und Kränkung. Mit Tränen in den Augen dachte Lizzie an vergangene Zeiten, als die Kinder noch jung waren. Damals waren sie nur zu gern gekommen! Und heute -? Tom kam nicht mehr, er konnte nicht mehr kommen. Es erschien aber auch keine von ihren Töchtern. Daß Edith nicht kam, konnte sie verstehen und fast sogar billigen. Aber Alice - das begriff sie einfach nicht. Nach Scarborough zu fahren, mit einem Mann! Zu Weihnachten! Selbst wenn gar nichts passierte - und sie wollte einfach nicht glauben, daß etwas passierte -, es war nicht richtig, was Alice tat.
Auch Mabel kam nicht. Nur Großtante Min erschien. Verfroren
Weitere Kostenlose Bücher