Und die Eselin sah den Engel
stämmiges Weib in weißer Uniform – eindeutig nicht aus Ukulore Valley – den Weg entlanggestapft. So stramm und kurzatmig war ihr Gang, daß sie weder nach links noch rechts blickte, sondern stur geradeaus. Das rote Kreuz vorn auf ihrem weißen Papphut und der hellgraue Umhang um ihre Schultern gaben mir die Vermutung ein, daß es sich um eine hochrangige Stiftsdame oder Äbtissin aus einer benachbarten Sekte handele, die man um Rat gebeten habe. Sie schritt die Stufen zur Eingangstür hinan und pochte kurz und scharf an die Milchglasscheibe. Sogleich ging die Tür auf, und von drinnen fragte eine Stimme: »Schwester Dethridge?«
»Haben Sie jemand anderen erwartet?« erwiderte Schwester Dethridge ebenso patzig, drängte sich ohne weiteres Getue hinein und grüßte die versammelten Damen pauschal mit einem brüsken Nicken.
Beth schlug die Augen auf, und als sie die Schwester gewahrte, spannte sich ihr ganzer Körper. Sie zog den Saum ihres Kittels über die Knie und starrte die Fremde an.
Mrs. Eldridge sprach aus ihrem abgetakelten Rollstuhl, und zwar in einem Ton, der zumindest für mich besagte: »Diese verkrüppelte Hexe hat schon mit vielen solchen Schwestern gesprochen. Die läßt sich nicht einschüchtern. Die weiß aus Erfahrung, daß hier nur Sachlichkeit hilft. Die hat schon mit vielen vielen solchen Schwestern gesprochen.«
Mrs. Eldridge sagte: »Sie sollen sich Beth ansehen. Prüfen Sie, ob sie noch unberührt ist. Das ist sie. Daran besteht kein Zweifel. Dann wünschen wir ein ausführliches medizinisches Gutachten, von Ihnen unterzeichnet, worin ausdrücklich bestätigt wird, daß Beth zum Zeitpunkt Ihrer Untersuchung im vollen Besitz ihrer Jungfernschaft war.«
Schwester Dethridge streifte bereits ein Paar dünne Gummihandschuhe über. Niemand hatte, soweit ich sehen konnte, bisher von Beth Notiz genommen. »Wir werden sehen«, sagte die Schwester, und Witwe Roth, in deren Haus diese Hexenversammlung zusammengetreten war, erklärte: »Sie können dieses Zimmer benutzen«, wobei sie eine überflüssige Geste zu einer Tür hin machte, durch welche die Schwester das Kind bereits führte. Man sah es in ihren Augen – gleich mußten sie überlaufen, gleich mußten die Tränen losströmen. Die Gummihand der Schwester zog die Tür hinter ihr zu.
Zehn Minuten später, Gummihandschuhe aus und weiße Handschuhe an, den Hintern unter ihrer strammen hellen Uniform zusammengekniffen, stapfte Schwester Dethridge aus der Vordertür und über den gepflasterten Weg und entschwand auf quietschenden Sohlen zu einem Todesfall irgendwo im Westen. Zu einem Todesfall irgendwo im Westen. Zu einem Todesfall irgendwo im Westen.
Ich sah all dies, auf Blütenhöhe zusammengekauert, durch einen Wall aus rötlichen Geranien und tänzelnden Bienen. Die Luft war voller Pollen und stieg unangenehm zu Kopf.
Drinnen hielt Mrs. Eldridge das medizinische Gutachten in ihren arthritischen Klauen, hockte da wie ein Seevogel mit einem Fetzen Strandmüll. Schweigsam bis auf das gelegentliche Ausstoßen angehaltenen Atems, das wissende Gurren und Glucksen und ab und zu ein zustimmendes Flüsterwort, drängte sich, hälsereckend und durch Brillen spähend, die schwarzgewandete Schwesternschaft um sie herum. Dann hörte ich ein energisches »A-men« und das Kreischen von Hartgummireifen auf dem Holzboden, als die Krüppelin sich aus dem Gewühl schob und in das Untersuchungszimmer rollte. Der Haufen respondierte brummend »A-men« und ging ihr folgsam nach.
Beth stand schon in der Tür. Ihr Gesicht war wie wund und tränenzerquält. Sie starrte auf den Boden, hob dann den Kopf und sah die Frauen an, ihr Gesicht eine einzige Frage. Doch sie fand nicht die Stimme, sie zu stellen. Grotesk in ihrem Wissen, nickten die Frauen ihr lächelnd zu.
In den rauheren Monaten thronte ich in meiner Hütte, beobachtete schweigend meine Untertanen oder hielt Wache in meinem Turm – doch als es Frühling wurde, bedrängte mich die … Lust, mein Reich zu verlassen, mit unwiderstehlicher Macht, und meine nächtlichen Pirschgänge wurden zum Hauptspaß meiner Rolle als Herrscher. Als aus dem Frühling Sommer wurde und die Schlaflosigkeit mich über die Grenzen meiner Gerichtsbarkeit hinaustrieb, mag ich so manche meiner königlichen Pflichten vernachlässigt haben, denn die aufregenden Dinge unten im Tal waren mir lieber. Kann sein, daß mein Königreich unter meiner Nachlässigkeit ein wenig gelitten hat – ich weiß es nicht. Das ist schwer
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