Und die Hölle folgte ihm nach
bislang die Adligen aus den benachbarten Gebieten gegenüber den Bewohnern dieses Tals zurückhaltend gezeigt, und das, seit Grimoald König ist.«
»Ist er der Nachfolger von Perctarit, von dem du gesprochen hast?«
»Ja, und seit er regiert, herrscht Frieden im Tal.«
»Dann ist es eher ungewöhnlich, dass es hier im Tal zu Überfällen kommt?«
Er schwieg einige Augenblicke und betrachtete sie nachdenklich. »Willst du damit sagen, dass an dem Überfall etwas ungewöhnlich war?«
»Ob besonders ungewöhnlich oder nicht, darüber kann ich mir kein Urteil erlauben, ich bin fremd hier. Ich kann die Dinge nur beobachten. Magister Ado wollte mich zuerst glauben machen, dass uns Räuber überfallen hätten, was auch Wulfoald sogleich bestätigte, und dann schriebst auch du den Überfall Räubern zu. Gleichzeitig aber hast du darauf hingewiesen, dass normalerweise Räuber ihr Unwesen nicht in diesem Tal treiben, wenn keine reichen Kaufleute hier unterwegs sind. Ich nenne nur Tatsachen. Etwas hineindeuten will ich nicht.«
»Dir ist ein scharfer Verstand gegeben, edle Dame.« Fürden Rest der Reise schwieg der junge Landesherr und schien in Gedanken versunken.
Radoalds Festung thronte hoch über dem Fluss, strategisch durchdacht am Südufer angelegt, wo er in einem spitzen Winkel eine Biegung machte. Am nördlichen Ufer strömte das Wasser von einem kleineren Nebenfluss hinzu. Dahinter erhob sich aus dem Felsmassiv, in das das Tal eingebettet war, eine gewaltige Bergspitze. Weder über die Berge noch unten entlang des Tals hätte ein Heer in voller Stärke vorstoßen können, ohne zuvor die Burg einzunehmen. Wie Fidelma später belehrt wurde, war die Festung ursprünglich von den Römern erbaut worden, als sie mit ihren Legionen ins cisalpinische Gallien eindrangen. Sie wirkte auf den ersten Blick düster und bedrohlich, ein dräuender Gebäudekomplex. Die niedrigeren Wälle waren mit moosähnlichen Kletterpflanzen überwuchert, die Fidelma fremd waren. Außerhalb der Festungsmauern gab es zwei oder drei Bauerngehöfte, die Burg aber überragte alles. Als sie sich ihr näherten, führte einer von Radoalds Männern ein Jagdhorn an die Lippen und ließ es mehrfach erschallen. Fidelma machte auf den Mauern etliche Krieger aus, man hatte ihre Ankunft bereits wahrgenommen.
»Für ein friedliches Tal scheinen deine Krieger gut gerüstet«, konnte sie nicht umhin zu bemerken.
Radoald grinste. »
Si vis pacem, para bellum
.« Willst du Frieden, sei für den Krieg gerüstet. »Ich halte es mit Vegetius, einem alten römischen Militärphilosophen, aus dessen
Epitoma Rei Militaris
ich viel gelernt habe.«
Sie betraten einen Innenhof, und sofort kamen Bedienstete herbeigeeilt, um die Pferde und Schwester Gisas Maulesel in die Ställe zu führen, das erlegte Wild abzuladen und in die Küchen zu schaffen.
Beim Absitzen rief Radoald Schwester Gisa zu: »Bring Bruder Faro zu Suidur in die Apotheke, damit er nach ihm schaut.« Ganz offensichtlich kannte sie sich auf dem Burggelände aus, sie nahm ihren Gefährten am Arm und half ihm über den gepflasterten Hof.
Radoald führte Magister Ado und Fidelma zum Hauptgebäude und in eine große Halle. An deren beiden Enden loderten Feuer, riesige Wandteppiche schmückten die hohen Wände. Bei ihrem Eintreten erhoben sich einige Männer und Frauen ehrfurchtsvoll. Ein älterer Mann, der sich als Radoalds Verwalter erwies, trat vor und verbeugte sich. Der junge Seigneur überschüttete ihn mit Anweisungen und drehte sich dann lächelnd wieder zu seinen Gästen.
»Ich habe veranlasst, dass für euch Zimmer hergerichtet werden. Auch für ein erfrischendes Bad wird gesorgt, und heute Abend werden wir gemeinsam speisen und uns entspannen. Morgen könnt ihr dann in aller Ruhe weiter nach Bobium ziehen.« Er wandte sich den in der Halle Versammelten zu und verkündete: »Magister Ado ist zurückgekehrt und wird bei uns weilen, und das ist Fidelma von Hibernia, eine Prinzessin ihres Landes, die nach Bobium reist.«
Die Namen seiner Familie und seiner Gefolgschaft schwirrten über Fidelma hinweg. Einige sprachen ein simples Latein, aber hauptsächlich schien man sich in der gutturalen Sprache der Langobarden zu verständigen. Mit höflichen, belanglosen Worten wurde sie von einer Gruppe zur anderen gereicht, als sie plötzlich vor einem prunkvoll geschnitzten, auf einem Podium erhöhten Stuhl stand. Vermutlich war es Radoalds Amtsstuhl. Aber nicht der Stuhl als solcher erregte ihre
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