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Und die Ratte lacht - Roman

Und die Ratte lacht - Roman

Titel: Und die Ratte lacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Persona Verlag
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deutschen Kommandanten die Hand und hieß ihn willkommen. Das ganze Dorf jubelte. Besatzer kommen und gehen, worin unterscheiden sich die einen von den anderen? Ich setzte mein Vertrauen in die Kirche und glaubte daran, dass ich, wenn ich Mitleid und Erbarmen predigte, deinen Auftrag erfüllte. Ich tat, als würde nichts Entsetzliches geschehen, nur um mich vor der Sünde der Verzweiflung zu schützen. Und jetzt begräbt mich die Verzweiflung unter sich. Wenn das die Menschen sind, die meinen Predigten lauschten und mir augenscheinlich folgten, bin ich es, der dafür verdammt werden muss, denn sie haben keines meiner Worte aufgenommen. Jeden Sonntag kamen dieser Bauer und seine Frau hierher, ich legte ihnen die heilige Hostie auf die Zunge und reichte ihnen den Wein und sie vereinten sich mit deinem Sohn, doch während der ganzen Zeit aßen sie das Fleisch dieses Mädchens und tranken ihr Blut. Und ich wusste es nicht.
    Ich zog vor, es nicht zu wissen.
19. September 1943
    Thomas von Aquin hatte recht: Verzweiflung gebiert Hass und wilden Zorn. Ich knie neben ihr und stelle mir vor, wie meine Hände um den Hals des Bauernsohns liegen. Ich erfreue mich an der Vorstellung seines Todes, ich sehe, wie er unter meinem Körper zuckt, bis er seinen letzten Atemzug ausstößt. Und du, warum hast du sie nicht getötet und alles beendet? Du hättest ihr ein Leben mit der Erinnerung an diesen Stefan ersparen können.
    Ich bin nicht bereit zu vergeben. Ich werde nicht meine andere Wange hinhalten.
    Ich schließe die Blätter und decke das Mädchen mit einer weiteren Decke zu. Die Not ihres Körpers kann ich lindern, nicht aber die Not ihrer Seele.
    Zu wem soll ich beten?
20. September 1943
    Ein weiterer Tag ist vergangen, ohne dass sich ihr Zustand verändert hat. Ich tue meine Pflicht, ich lausche Beichten, ich erfülle die Zeremonien, und von Zeit zu Zeit gehe ich nach hinten, zu meiner Schlafkammer, knie mich neben sie und lausche ihren Atemzügen. Sie lebt noch, scheint aber ohne Bewusstsein zu sein. Ich lausche, ob sie vielleicht etwas murmelt, aber ihr Mund bleibt verschlossen. Ich gebe ihr etwas Wasser zu trinken. Ihre Lippen bewegen sich nicht. Ich schiebe ihr einen Löffel in den Mund, versuche, sie mit Kartoffelsuppe zu füttern. Sie würgt und spuckt die Suppe aus.
    Wieder sitze ich in der Dunkelheit. Meine Hände bewegen sich, aber ich kann nicht sehen, was ich schreibe. Ihre Anwesenheit wird immer intensiver in der Dunkelheit. Sie fürchtet sich vor mir. Noch nie hat sich jemand vor mir gefürchtet. Sogar die Hunde begleiten mich mit freundschaftlichem Gebell, wenn ich durch die Straßen des Dorfs gehe, und die Schweine schnüffeln an meinen Schuhen. Vielleicht erkennt sie in mir den Antichristen. Wäre sie in der Unterwelt gewesen, hätte ich gewusst, wie ich ihr Trost spenden kann. Aber sie war unter Menschen, in ihrem Schoß und unter ihrem Schutz. Die Mittel, mich mit dem Antichristen zu messen, hast du mir gegeben, aber gegenüber dem, den du nach deinem Bild erschaffen hast, bin ich machtlos. Wenn alles ein Werk deiner Hände ist, dann kommt auch die Verzweiflung von dir.
    Vielleicht hätte ich in deinem Namen ein Wunder vollbringen können. Doch du hast keinen Namen, und in deiner Welt gibt es keine Wunder.
    Im Fenster zeigt sich schon das Licht, aber es kann die Dunkelheit nicht vertreiben.
21. September 1943
    Heute Morgen hat sie mir erlaubt, sie mit einem nassen Lappen abzuwischen. Ich tauchte den Lappen ein, und das Wasser im Kübel wurde schwarz. Ich pumpte noch mehr Wasser in den großen Trog. Ich kochte Birkenrinde und wusch damit ihre Wunden. Zuerst löste ich die Stofffetzen, die an ihnen klebten, und bat sie um Verzeihung für die Schmerzen, die ich ihr zufügte. Noch immer hat sie keinen Ton von sich gegeben. Der Schmutz, der sie bedeckt, ist deiner, mein Vater. Schließlich lag sogar Lazarus in seinem Totenhemd auf der Erde, mit gewaschenem Körper und duftend nach feinem Öl.
    Ich schnitt ihr die Haare und wusch ihren Kopf mit Petroleum. Ich tue dir nichts zuleide, sagte ich zu ihr. In diesem Haus bist du sicher. Sie drehte mir sofort den Rücken zu. Am Schluss bohrte sie ihren scharfen Blick in mich. Ihre alten Augen liegen tief in den Höhlen. Sie erinnern mich an …
    Nein, ich weigere mich, daran zu denken.
    Ihre Haut ist zerfressen, angenagt, voller Beulen und Narben, voller Entzündungen. Aber das Fleisch kann sich selbst heilen. Ich bestreiche ihre Wunden mit Salben von Pflanzen, die ich

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