und du bist weg
mehr aus dem Hirn.
Die Ampel sprang um und hinter ihr drückte ein ungeduldiger Lieferwagenfahrer energisch auf seine Hupe. Katharina zögerte noch einen Moment, legte dann den ersten Gang ein und gab Gas. Anstatt zu Mann und Kind zu fahren, bretterte sie weiter den Hang der Hauptstraße herunter. Eine Sache gab es noch zu erledigen.
Zügig fuhr sie an der ehrwürdigen Wasserburg vorbei und bog hinter dem Bahnübergang links ab. Kurz darauf steuerte sie auf die Autobahn Richtung Wuppertal, quälte sich mit dem Rest des Berufsverkehrs durch die obligatorischen Staus und war froh, an der Abfahrt Sprockhövel den Dieselabgasen der vor ihr kriechenden LKW entkommen zu können.
Am Ende der Abfahrt dirigierte Katharina ihren Kleinwagen nach links und zog bei der nächstbesten Gelegenheit an den Straßenrand. Aus dem Seitenfach angelte sie den Atlas mit den Stadtplänen der wichtigsten Metropolen des Ruhrgebietes; tatsächlich war das malerisch gelegene Kaff, das gegen seinen Willen zum Ennepe-Ruhr-Kreis gehörte, darin aufgeführt. Katharina prägte sich den Weg ein, legte den Atlas zurück und fädelte sich wieder in den Verkehr ein.
Dagmars Eltern wohnten in einer Seitenstraße, knapp hinter dem Ortseingang. Je näher Katharina ihrem Ziel kam, umso feuchter wurden ihre Handflächen. Als Mitglied der Mordkommission war sie es an und für sich gewöhnt, Angehörige über den Tod eines Familienmitgliedes zu informieren. In den meisten Fällen gelang es ihr recht gut, die Trauer nicht an sich selbst heranzulassen, aber hier lag die Sache doch völlig anders.
Mit laut klopfendem Herzen sah sich Katharina nach einem Parkplatz um. In dieser ruhigen Gasse war das Parken kein Problem, bis zum Haus der Eulensteins hatte sie gerade mal zehn Meter zu laufen. Katharina atmete tief durch, krallte ihre Rechte in den Riemen ihrer Tasche und betrat den Fliesenweg, der zu einem unscheinbaren, zweistöckigen Reihenhaus führte. Kein Vergleich zu dem Palast, in dem Ulli und sie residierten, aber gepflegt war die Bude allemal.
Auf der oberen der beiden Klingeln wurde sie fündig, ihr Zeigefinger traf den Knopf bereits beim zweiten Versuch. Innerlich sandte sie ein Stoßgebet gen Himmel, aber sie hatte kein Glück: Nach ein paar Sekunden meldete sich eine Frauenstimme über die Gegensprechanlage.
»Thalbach«, krächzte Katharina. »Kripo Bochum.«
Ohne weitere Rückfrage ertönte der Türsummer. Katharina drückte mit der Schulter leicht gegen die Tür und biss die Zähne zusammen. Hoffentlich gingen die nächsten zehn Minuten schnell vorüber.
Auf den ersten Blick konnte man die Ähnlichkeit erkennen; die Frau in der Tür sah genauso aus wie Dagmar, lediglich gut dreißig Jahre älter und mit der für diese Generation wohl typischen Dauerwelle auf dem Kopf. Das Gesicht war so blass wie das der Tochter, allerdings, so vermutete Katharina, war die Frau, die sie im Türrahmen erwartete, nicht auf Grufti geschminkt.
»Ja, bitte?«, fragte die Frau leise.
»Frau Eulenstein? Ich bin. das heißt, ich war eine Kollegin Ihrer Tochter. Könnte ich Sie wohl einen Moment sprechen?«
Auf ihre Frage erntete sie ein gleichgültiges Nicken, kurz darauf stand sie in der Diele. Dagmars Mutter ließ die Tür zufallen und trottete zurück in die Küche, in der sie wohl schon gesessen hatte, bevor Katharina schellte.
Die Blonde folgte der älteren Frau und der Anblick des Küchentischs versetzte ihr einen schmerzhaften Stich in der Magengegend. Auf der einfachen Resopalplatte türmte sich eine Vielzahl von Fotoalben. Obwohl sie noch einige Schritte vom Tisch entfernt war, erkannte die Beamtin, dass auf den Bildern fast ausschließlich Dagmar zu sehen war. Das konnte ja klasse werden.
»Möchten Sie einen Kaffee?«, fragte Frau Eulenstein mühsam beherrscht.
»Nein danke, ich möchte Ihnen keine Umstände machen.«
Ihre Gastgeberin setzte sich auf ihren Stammplatz, Katharina zog sich einen Stuhl unter dem Tisch hervor und hockte sich auf die Kante.
»Gibt es denn noch etwas zu besprechen?«, fragte Dagmars Mutter schwach. »Der Herr Wielert sagte, er wollte sich melden, sobald er weiß, wann mein Mädchen beerdigt werden kann.«
Katharinas Hals zog sich enger zusammen. »Nein«, antwortete sie unter Schwierigkeiten, »deswegen bin ich nicht vorbeigekommen.«
»Warum musste das passieren?«, schniefte Frau Eulenstein verzweifelt. »Sie war doch noch so jung.«
Katharina zuckte hilflos mit den Achseln. Während dem Häuflein Elend auf der
Weitere Kostenlose Bücher