Und eines Tages kommt das Glück
Alan nicht kam, dann würde sie wenigstens nicht so unangenehm als peinlicher Single auffallen, dachte Romy.
»Ich weiß, dass für mich der Alkohol momentan verboten ist, aber seid ihr sicher, dass ihr nicht doch gern einen Schluck Wein trinken würdet?«, fragte Veronica, als sie das letzte Stück Brot in das Olivenöl tunkte. »Es ist eigentlich schade, dass wir keinen trockenen Weißwein zum Essen haben.«
»Für mich nicht, danke«, erwiderte Kathryn rasch. »Ich trinke im Moment keinen Alkohol.«
»Ich auch nicht.« Romy schüttelte den Kopf. Sie wollte nicht die Einzige sein, der die Wirkung von einem oder zwei Gläsern Chardonnay die Zunge lockern würde.
»Ihr zwei seid so schrecklich vernünftig«, meinte Veronica.
»Das liegt nur an unserem reifen Alter«, spöttelte Romy und wünschte sofort, sie hätte es nicht gesagt.
Ihre Mutter hob die Augenbrauen.
»Aber du siehst heute keinen Tag älter als vierzig aus«, warf Romy eilig ein. »Ehrlich.«
»Ja, glaubst du denn, mein Alter ist so wichtig für mich, dass ich keinen Spaß mehr bei diesem Thema vertrage?«, fragte Veronica.
»Um die Wahrheit zu sagen, ja«, antwortete Romy.
Veronica schüttelte den Kopf. »Du kennst mich überhaupt nicht.«
Romy war froh, dass die Türklingel sie von einer Antwort entband. Sie hatte gerade sagen wollen, dass sie ihre Mutter nur allzu gut kenne, und diese Bemerkung wäre sicher nicht gut angekommen. Stattdessen stand sie auf und deutete Kathryn an, sitzen zu bleiben; sie würde an die Tür gehen. Trotzdem war Romy erleichtert, dass sie nicht mehr die Einzige war, die von Veronica auf Trab gehalten wurde.
Ein paar Minuten später kehrte sie in Begleitung einer attraktiven grauhaarigen Frau auf die Terrasse zurück.
»Bernice.« Veronica lächelte erfreut. »Wie schön, dass du mich besuchst.«
Bernice küsste Veronica auf die Wange. »Ich freue mich auch, dich zu sehen. Du armes Ding, du hast ja einiges durchgemacht.«
»Damit ist jetzt Schluss«, erwiderte Veronica. »Jetzt muss nur noch mein Rücken völlig abheilen, und dann bin ich wieder so gut wie neu.«
»Ausgezeichnet«, meinte Bernice. »Dann kommst du ja wohl hoffentlich bald wieder in den Bridgeclub, oder?«
»Selbstverständlich.« Veronica wandte sich an Kathryn und Romy. »Mädchen, das ist Bernice McBride, die Präsidentin unseres Bridgeclubs. Bernice, das sind meine Töchter – Romy, die dich hereingelassen hat, und Kathryn.«
»Ich habe schon viel von Ihnen gehört«, sagte Bernice, während sie Platz nahm.
»Tatsächlich?« Fragend schaute Romy sie an. »Gutes oder Schlechtes?«
Bernice lachte. »Nur Gutes, natürlich«, beteuerte sie.
»Möchtest du vielleicht ein Glas Wein?«, fragte Veronica. »Meine Töchter leben beide anscheinend enthaltsam, und ich darf im Moment nichts trinken, aber im Kühlschrank steht ein köstlicher Chardonnay …«
»Ich würde ja gern, aber ich muss fahren«, erklärte Bernice. »Und so viel vertrage ich leider nicht.«
»Wir werden alle viel zu vernünftig«, meinte Veronica traurig.
»Kathryn und ich lassen euch beide jetzt allein, damit ihr euch in Ruhe unterhalten könnt«, sagte Romy zu Veronica. »Ich habe überlegt … sollen wir in der Zwischenzeit vielleicht deine Sachen nach oben bringen? Glaubst du, du bist wieder fit genug, um in dein Schlafzimmer zu ziehen?«
»Ich denke schon«, erwiderte Veronica. »Ja, das wäre nett.«
Auf dem Weg in die Küche nahmen die beiden Schwestern das Geschirr mit und räumten es in die Spülmaschine. Romy bat Kathryn, ihr dabei zu helfen, Veronicas Sachen nach oben zu bringen. Dabei erzählte sie ihr, wie peinlich es ihr gewesen war, das alles nach unten zu tragen, da ihr Veronicas Schuhkollektion und ihre eleganten Dessous quasi einen intimen Einblick in die Seele ihrer Mutter verschafft hatten.
»Dass du immer alles gleich so dramatisieren musst«, meinte Kathryn lachend. »Na und? Dann mag sie eben schöne Unterwäsche. Das tun wir doch alle.«
Romy erinnerte sich genau daran, wie Kathryns Unterwäsche früher ausgesehen hatte, als sie noch jünger gewesen waren: schlichte BHs und Slips aus Baumwolle, die nichts Exotisches oder Erotisches an sich hatten. Wahrscheinlich habe ich auch dieses spezielle Gen von Veronica nicht geerbt, dachte sie, aber in Kathryn hat es sich offenbar doch noch durchgesetzt. Verwirrt versuchte Romy die Vorstellung abzuschütteln, dass Kathryn und Veronica in Reizwäsche durch das Haus liefen. Allmählich fange ich
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