UND ES WAR SOMMER - Wiggs, S: UND ES WAR SOMMER
Verzweifelt kramte sie in ihrer Handtasche nach ihrem Handy, bis ihr einfiel, dass sie es irgendwo hatte liegen lassen. Die Schwester hatte gesagt, dass jemand ins Krankenhaus unterwegs war. Rosa nahm an, dass es sich nur um Alex’Vater handeln konnte. Seine Schwester Madison war irgendwo in Asien, und sonst gab es keine Verwandten. Portia? Vielleicht sollte man sie verständigen. Eine Exverlobte würde eventuell als Verwandte durchgehen, wenn sie das „Ex“ niemandem auf die Nase band.
Alex brauchte irgendjemanden . Sie wusste, dass es ihr in seiner Situation Kraft geben würde, wenn ihre Freunde bei ihr wären. Freunde und Familie, die einen unterstützten und daran glaubten, dass man wieder gesund würde. Aber wie sollte sie es anstellen, seine Freunde zu ihm zu bringen? Die Welt, in der er sich normalerweise bewegte, war ein völlig fremder Planet für sie.
Jede Minute, die verging, kam ihr wie eine Stunde vor. Langsam füllte sich der Warteraum mit Leuten, die alle ihretwegen ins Krankenhaus gekommen waren. Es war genauso wie in jener Nacht, als ihr Vater den Unfall gehabt hatte. Shelly und die Leute aus dem Restaurant waren da, Mario mit seiner Familie und auch Linda und Jason. Sie waren hier, weil sie sie liebten und für den Mann da sein wollten, der Rosas Vater aus dem brennenden Haus gerettet hatte. Mit einem Gefühl tiefer Dankbarkeit wurde ihr bewusst, dass all diese Menschen zu ihr gehörten. Sie hatten ihr in schweren Zeiten beigestanden und sich mit ihr gefreut, wenn sie glücklich gewesen war.
Rosa erinnerte sich daran, was ihr heute Morgen durch den Kopf gegangen war. Dass sie mit Alex bis ans Ende der Welt gehen würde. Jetzt fragte sie sich, wie sie auch nur jemals in Erwägung hatte ziehen können, sich von ihm zu trennen. An seiner Seite war der einzige Platz, wo das Leben einen Sinn hatte.
Vince setzte sich zu ihr. Obwohl sie ihm dankbar dafür war, wurde sie das Gefühl nicht los, dass die ganze Situation etwas Makaberes an sich hatte. Es war wie bei einer Totenwache. Als plötzlich die automatischen Türen aufgingen, klammerten sie und Vince sich erschrocken aneinander. Ein elegant gekleideter Mann eilte, gefolgt von Alex’ Assistentin Gina Colombo, den Krankenhausflur entlang. Beide wurden sogleich in das Behandlungszimmer gewunken. Keiner von ihnen schien Rosa zu bemerken.
Sie sah Alex’Vater durch die Glastüren nur von hinten. Er war ein breitschultriger, sportlicher Mann, der auf den ersten Blick völlig ruhig und gelassen wirkte. Doch sie merkte schnell, dass das nicht stimmte. Denn nun bebte er am ganzen Körper.
Es dauerte einen Moment, bis sie in der Lage war, etwas zu sagen. „Das ist sein Vater.“
Vince legte wortlos den Arm um sie. Er versuchte nicht, ihr zu versichern, dass alles wieder gut werden würde. Denn er wusste, dass sie vor zwölf Jahren genau hier, in diesem Wartezimmer, gestanden und nicht gewusst hatte, ob ihr Vater überleben würde. Irgendwann hatte man ihr damals erklärt, dass er sich in einem Zwischenreich zwischen Leben und Tod befand und vielleicht für immer dort bliebe. Vince hütete sich also, sie zu trösten, bevor sie nicht wussten, wie es wirklich um Alex stand.
Mr. Montgomery unterschrieb gerade ein Formular, als Gina aus dem Behandlungsraum trat. In ihrem Businesskostüm mit dem kurzen Rock sah sie dynamisch aus, doch ihr Gesicht war kreidebleich und ihr Blick besorgt.
„Die Ärzte haben gesagt, dass Sie mit ihm ins Krankenhaus gekommen sind.“
„Ja“, sagte Rosa. „Wie geht es ihm?“
„Wie soll es jemandem schon gehen, der auf die Intensivstation kommt?“
„Hey“, empörte sich Vince.
Rosa winkte ab. Sie wusste, dass Gina durch ihre barsche Art lediglich versuchte, ihre Angst und Verzweiflung zu verbergen, die Rosa nur allzu gut verstand. „Bitte, welche Verletzungen hat er?“
Gina bemühte sich sichtlich, nicht die Fassung zu verlieren. „Die Verbrennungen sind nicht so schlimm, aber … man muss noch einige Untersuchungen machen, weil nicht auszuschließen ist, dass er einen Schädelbruch erlitten hat.“
Rosa wurde starr vor Angst. Ihr Vater hatte damals einen Schädelbruch erlitten, und es hatte zwei Jahre gedauert, bis er sich davon erholt hatte. „Ich will zu ihm.“
Gina schüttelte den Kopf. „Das geht nicht.“
Rosa trat an die Scheiben der Türen und spähte hinein. Vor dem Behandlungsbett stand ein Paravent, daher konnte sie nicht allzu viel sehen. Nur, dass das Team aus Ärzten und Schwestern offenbar
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