UND ES WAR SOMMER - Wiggs, S: UND ES WAR SOMMER
ihm hing so viel Metall, dass er bestimmt durch keine Sicherheitskontrolle am Flughafen kam, ohne den Alarm auszulösen.
Doch Alex wusste, dass das Äußere eines Menschen leicht trügen konnte. Er hoffte für Rosa, dass das bei diesem jungen Mann der Fall war. Die Zeitschrift in seinen Händen ließ zumindest schon mal Gutes ahnen. Der Junge las „Scientific America“ .
„Na, wie gefällt es dir in Winslow?“, fragte Alex.
„Ganz gut.“ Die Augen des Jungen wanderten zu einem blonden Mädchen, das mit seiner Mutter gerade an ihnen vorbeiging. Das Mädchen war ungefähr in seinem Alter – eine langbeinige, gerade erblühende Schönheit, die an der geheimnisvollen Schwelle zur jungen Frau stand. Sie erwiderte Joeys Blick. „Es ist ziemlich nett hier …“, sagte er.
Rosa stieß ihn liebevoll in die Seite. „Dir gefällt es ja immer besser hier, was?“
Joey bekam sofort rote Ohren, und Alex konnte es ihm gut nachfühlen. Ihm kam die Mutter des Mädchens übrigens bekannt vor – sie hieß Brook mit Nachnamen und war öfter im Club. Doch die Gelegenheit, sie und ihre Tochter vorzustellen, war vorbei, also wechselte er das Thema. „Als Kind habe ich meine Sommerferien immer hier verbracht. Ich habe deine Tante schon gekannt, als sie neun war.“
„Aha.“
„Und momentan versuche ich, das alte Haus meiner Eltern wieder auf Vordermann zu bringen“, fuhr Alex fort, während er überlegte, welches Gesprächsthema den Jungen wohl interessieren könnte. Denn das hier war seine Chance. Wenn es ihm gelang, sich mit Joey anzufreunden, hatte er bei Rosa bestimmt einen Stein im Brett. Er betrachtete wieder Joeys Zeitschrift. Auf der Titelseite stand das Wort „Planetentransit“. „Weißt du, ich hatte mal ein altes Teleskop.“ Es musste sogar noch irgendwo sein. „Ich wollte mich umhören, ob jemand an der Highschool es brauchen kann, aber falls du Interesse hättest …“
„Das wäre klasse.“
„Ich glaube eher nicht“, sagte Rosa.
Alex ignorierte sie. Er hatte jetzt einen Verbündeten. „Warum kommst du nicht einfach heute Nachmittag vorbei, dann zeige ich es dir.“ Er spürte, dass Rosa protestieren wollte, also redete er laut und schnell weiter. „Du hast doch heute bestimmt noch nichts vor, oder?“
„Nö.“ Joey ignorierte Rosa ebenfalls. „Ich jobbe zwar im Eisladen, aber heute habe ich frei. Wann soll ich vorbeikommen?“
„Ist 14 Uhr okay für dich?“
„Klar.“
„Deine Tante weiß ja, wo ich wohne. Es macht ihr bestimmt nichts aus, dich zu fahren.“ Und um Rosa gar nicht erst die Gelegenheit zu geben, Einspruch zu erheben, sagte er: „Ich muss jetzt los. Wir sehen uns am Nachmittag, Joey. Bis dann, Rosa.“
„Tschüss, Alex.“ Sie schob ihren Einkaufswagen eilig in den Gang mit den Backwaren.
Während Alex so tat, als gelte seine ganze Aufmerksamkeit den in Cellophan verpackten Keksen, sah er ihr verstohlen nach. Dann warf er ein paar Tiefkühlmenüs und eine Packung Salzbretzeln in seinen Einkaufswagen, besorgte sich noch Milch, Cornflakes und Bier und ging dann zur Kasse. Als er am Parkplatz seine Einkäufe in seinem Ford Explorer verstaute, sah er Rosa und Joey in das rote Cabrio einsteigen. Sie trug eine Sonnenbrille und hatte einen getupften Schal um den Kopf gewickelt, damit ihr Haar nicht vom Fahrwind zerzaust wurde. Nun zog sie sich – unter Zuhilfenahme des Rückspiegels – die roten Lippen nach.
Das war zu viel für Alex. Er griff nach seinem Handy und wählte ihre Nummer – die Nummer, die sie ihm an dem Tag, als die Zeitungen über den Suizid seiner Mutter berichtet hatten, auf einem Zettel an der Tür hinterlassen hatte. Er hatte sie damals sofort auf seinem Handy gespeichert.
„Rosa Capoletti“, meldete sie sich in geschäftlichem Ton. Alex sah, wie sie sich das winzige Telefon mit einer Hand ans Ohr presste und mit der anderen ihren Sicherheitsgurt anlegte.
„Geh mit mir essen“, sagte er.
Schweigen. Dann räusperte sie sich. „Ich fürchte, das wird nicht möglich sein.“
„Hast du denn so viel zu tun?“
„Mein Terminkalender ist voll. Immer.“
Sie war eindeutig sauer, weil er Joey zu sich eingeladen hatte, dachte Alex. „Das akzeptiere ich nicht.“
„Dann wirst du“, sagte sie, während sie den Motor anließ, „damit umgehen lernen müssen, fürchte ich.“
„Okay, dann werde ich dein Stalker.“ Er lachte. „Was hältst du davon?“
„Ich muss los“, zischte sie und fuhr zur Parkplatzausfahrt.
„Na gut. Aber du
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