Und ewig währt die Hölle (German Edition)
musste. Den geringsten Schaden trug man in der Asylpolitik davon, und der Erfolg bei den Meinungsumfragen ließ selten lange auf sich warten. Für Lykke bedeutete das eine immer kleiner werdende Mannschaft, weil alle Abteilungen Mitarbeiter für Asyl- und Abschiebeverfahren entsenden mussten. Es war auch nicht schwierig, motivierte Leute dafür zu finden. Gewöhnliche Polizisten, die mit der Abschiebung von Asylsuchenden befasst waren, konnten einschließlich Überstundenzulage bis zu einer Million Kronen pro Jahr verdienen.
Er nahm seinen Becher mit dem grünen Elch unter einer großen orangefarbenen Sonne, den Ida ihm letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte, aus dem Küchenschrank, goss sich Kaffee ein und trank ein paar vorsichtige Schlucke. Seine Gedanken wanderten zu Nadija Hadzic. War es ein Mord mit rassistischem Motiv? Eigentlich deutete nichts darauf hin. Zum einen war die Frau gut in die norwegische Gesellschaft integriert gewesen. Zum anderen waren ihr Laptop und ihr Mobiltelefon verschwunden. Das konnte auf zwei Dinge hindeuten: Entweder war sie einem Raub zum Opfer gefallen, oder ihr Mörder hatte Mac und Handy mitgenommen, weil er fürchtete, sie könnten die Polizei auf seine Spur bringen. Aber wozu dann das Aufschlitzen und das Waschpulver …
«Morgen!»
Sonja beugte sich über den Tisch und küsste ihn auf den Mund. Selbst nach acht Jahren Ehe war er immer noch ein wenig überrascht und verlegen, wenn sie das tat.
«Denkst du daran, Idas Skistiefel umzutauschen?»
Lykkes Blick fiel auf ein Paar kleine rosa Langlaufstiefel an der Haustür.
«Ich werde es versuchen.»
«Gut.»
Sonja lächelte und nahm ihre Teetasse aus dem Schrank. Die etwas zu große Nase über dem breiten Mund erinnerte ihn entfernt an ein Unterwäsche-Model von H&M, mit den Plakaten war vor ein paar Jahren die ganze Stadt tapeziert gewesen. Er war nicht sicher, wie Sonja auf diesen Vergleich reagieren würde, und behielt ihn deshalb für sich.
Sie deutete auf die Zeitungen, die auf dem Küchentisch lagen.
«Fertig?»
«Bedien dich.»
Wie schön sie ist, dachte Lykke zum tausendsten Mal. Was will sie mit einem alten Mann wie mir? Er interessierte sich nicht einmal für Sport, Sonjas große Leidenschaft. Vor allem im Fernsehen.
Sie trank vorsichtig von ihrem Tee und sah ihn über die Börsenseiten von Dagens Næringsliv hinweg an.
«Ist was?»
Lykke lächelte. «Was soll denn sein?»
«Du hast ausgesehen, als würdest du an was denken.»
«Ich bin hier der Ermittler, nicht du.»
Sonja lachte. «Aber ich wäre bestimmt auch ganz gut, meinst du nicht?»
«Mit Sicherheit.»
Es ist mindestens zwei Wochen her, dass wir miteinander geschlafen haben, dachte Lykke. Vermisst sie den Sex?
Sie warf einen raschen Blick auf die Uhr am Herd und hatte es plötzlich eilig.
«Ich muss Ida wecken. Könntest du noch schnell den Korb Wäsche aus der Waschküche heraufholen?»
«Natürlich.» Ihm fiel etwas ein. «Warum kaufen wir Omo?»
Sonja sah ihn neugierig an. Ihr halblanges dunkles Haar war ihr ins Gesicht gefallen, sie schob es mit einer raschen Handbewegung hinters Ohr.
«Weil …» Sie zögerte. «Wahrscheinlich, weil es am effektivsten ist», sagte sie und sah ihn fragend an. «Woher dieses plötzliche Interesse für Waschpulver?»
«Was meinst du mit ‹effektiv›?»
«Na ja …», sagte sie gedehnt, «das habe ich wohl irgendwo gehört, aber ich glaube schon, dass Omo am besten Flecken entfernt und so was …»
«Und Blenda?»
«‹Blenda wäscht weißer›.» Sie lächelte. «Du erinnerst dich an die Werbung?»
«Nein …»
Lykke starrte gedankenverloren auf die Zeitung.
«Natürlich, das ist es», murmelte er plötzlich und erhob sich hastig. Über seiner Nase stand eine kleine Falte.
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Kapitel 15
Gisle Kvamme fasste die kleine, trockene Hand fester. Sie standen schon beinahe eine Viertelstunde da und sahen zu, wie ein Krabbenkutter mit seinem nächtlichen Fang zurückkehrte. Es wehte ein kalter Wind, und er bereute, dass er keine Mütze aufgesetzt hatte.
«Was meinst du, wollen wir in die Konditorei gehen?»
Nora schüttelte den Kopf.
«Mama mochte keine Krabben», sagte sie so leise, dass es im Wind fast unterging.
Gisle Kvamme sah die Tränen über ihre blassen Wangen laufen und spürte einen Stich in der Brust. Der Mord war vor siebenunddreißig Stunden passiert, es war beinahe unnatürlich, dass sie noch Tränen übrig hatte.
«Aber sie mochte Krebse», sagte er in dem
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