Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
Vom Netzwerk:
war damit aufgewachsen, ehrlich zu sein. Und nun sah sie sich einer Situation gegenüber, die höchstwahrscheinlich ein hohes Maß an Lügen von ihr erforderte. Die aber notwendig waren, sosehr sich ihre innere Stimme auch dagegen sträubte. Schließlich blieb ihr keine Wahl. Auf keinen Fall aber wollte sie völlig unvorbereitet damit konfrontiert werden. Sie sollte also dringend anfangen, sich vorsorglich ein paar Antworten zurechtzulegen. Zur Sicherheit.
    Denke nach, mahnte sie sich. Noch ist Zeit . Was also sollte sie auf die Frage antworten, warum sie ins Kloster gekommen war?
    Weil das schon immer mein Wunsch gewesen ist.
    Na, war das so schwer gewesen? Wie zur Antwort schüttelte sie den Kopf. Dabei fiel ihr Blick auf das Holzkreuz – und ihren Rosenkranz, den sie um Jesus’ Arm geschlungen hatte. Hastig löste sie die Perlen und steckte die Kette in ihre Tasche. Es war sicher besser, ihn griffbereit zu haben.
    Doch sie musste weiter überlegen. Wie stand sie zu den Gelübden Armut, Keuschheit und Demut?
    Ich gebe mir Mühe?
    Ob 'Mühe' ausreichen würde?
    Ich übe mich darin?
    Das klang schon besser. Aber ging es nicht noch ein bisschen eindeutiger? Oder deutlicher?
    Armut und Keuschheit machen mir keine Mühen, Demut bitte ich demütigst noch ein bisschen üben zu dürfen.
    Unwillig schnaubte sie: Das war die Wahrheit. Sie wollte sich doch Lügen überlegen! Schließlich fiel ihr die Lösung ein: 'Wie also stehst du nun zu den Gelübden Armut, Keuschheit und Demut?' Bin ich bereit zu geloben.  
    Ja, das klang – gut.
    'Bist du bereit dich den Klosterregeln zu beugen?'
    Ja.
    Dann fiel ihr ein, was Elisabeth gesagt hatte: Immer mit 'ja' antworten.Vielleicht war es gar nicht so schwer.
    Sie stellte sich unter das Fenster. Um hinaussehen zu können, musste sie ihren Kopf weit in den Nacken legen. Und selbst dann war nur Himmel zu sehen. Wolkenverhangener, sonnenloser, grau-trostloser Himmel. Er spiegelte ziemlich genau wider, wie sie sich heute fühlte. Sie seufzte.
    In diesem Moment klopfte es und sie eilte zur Türe.
    „Es ist soweit“, sagte Elisabeth.
    Sie war es also, die sie abholen kam.
    „Bist du bereit?“
    Mathilda nickte.
    „Dann lass uns gehen.“
    Ergeben schritt Mathilda neben ihr her, auf ihre erste Prüfung hier im Kloster zu.
     
    Im Kapitelsaal waren bereits alle versammelt und sahen ihr stumm und ernst entgegen. Im Kamin war eingeheizt, die Luft warm. Auf den Kronleuchtern brannten Kerzen und tauchten den Raum in ein angenehm warmes, wenn auch flackerndes Licht.
    Mathilda warf Katharina einen Blick zu. Sie lächelte und nickte aufmunternd.
    „Mathilda Finkenschlagin.“
    Die Stimme Mutter Örtlerins, die heute wieder auf ihrem Thron saß, hallte klar und laut durch den Raum.
    „Komm her.“
    Gehorsam schritt Mathilda voran und kniete sich drei Schritte vor ihr auf den Boden.
    „Lasset uns zuerst zu unserem Herrn beten.“
    Die Äbtissin deutete auf den Altar und schenkte Mathilda, während sie sich umwandte, einen milden Blick. Sie faltete die Hände. Stoffgeraschel hinter Mathilda verriet, dass die Nonnen es ihr gleichtaten.
    „Gott unser Herr, geliebter Jesus und Heiliger Geist! Hier vor dir kniet die gottesfürchtige Jungfrau Mathilda Finkenschlagin, um ihre Bereitschaft kundzutun, deine Dienerin zu werden. Gib ihr deinen Segen, damit sie die richtige Entscheidung treffe bei dieser ersten Befragung.“ Sie erhob die Hände zum Kreuzzeichen: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“
    „Amen.“
    „Nun“, wandte sich die Äbtissin wieder ihr zu. „So beginne ich mit der offiziellen Befragung.“ Sie schwieg einen Moment, um dann mit verändertem, feierlichem und offiziell klingendem Ton fortzufahren: „Wie heißest du?“
    „Ich heiße Mathilda Magdalena von Finkenschlag.“
    „Von wem und wo wurdest du geboren?“
    „Mein Vater ist Graf Reginald von Finkenschlag, meine Mutter Freiin Margarethe zu Liems. Ich komme aus Rotenberg.“
    „Wie alt bist du?“
    Mathilda war erleichtert, die ersten Fragen wahrheitsgemäß beantworten zu können. „Ich bin sechzehn Jahre alt.“
    „Bist du gesund?“
    Überrascht sah sie auf. Was war denn das für eine Frage? „Natürlich. Ich war immer gesund.“
    Bisher war alles einfach gewesen. Doch jetzt sah Mathilda, wie die Äbtissin auf ihrem Platz ruckte, hörte, wie sie sich räusperte. Jetzt würden also die richtigen Fragen beginnen.
    „Ich muss dich fragen ...“, begann Mutter Örtlerin und

Weitere Kostenlose Bücher