Und führe uns nicht in Versuchung: Kriminalroman (German Edition)
du ned auch noch in den Salat«, sagte sie, aber sie keifte nicht mehr.
Direkt beim Rhabarber musste er gestanden haben, hatten die Ballistiker berechnet. Also stellte ich mich vor den Rhabarber und überlegte, was jemanden dazu bewogen haben könnte, sich bei der Reisingerin in den Garten zu stellen und zu schießen. Woran die von der Spurensicherung das gemerkt hatten, war mir eh ein Rätsel, weil ich sah an dieser Stelle nämlich gar nichts.
Hinter dem Rhabarber, der hier auch schon seit Jahrhunderten wuchs, war noch eine Hecke hinüber zum Grundstück vom Laschinger Sepp. Und da gab es eine Lücke in der Hecke, da war auch noch der Maschendrahtzaun niedergedrückt. Diese Lücke hatte ich mit zwölf Jahren rege dafür genützt, auf kürzestem Wege zum Kaugummiautomaten zu kommen. Eigentlich hätte man das schon längst reparieren können, denn inzwischen machte ich ja so etwas nicht mehr, aber der Laschinger und der Reisinger hatten sich nie darauf einigen können, wer das wieder richten sollte. Denn es war der Zaun vom Laschinger, und der hatte gesagt, dass er das nicht richtet, weil der Zaun eindeutig von der Reisinger-Seite niedergebogen worden war.
Und bevor sich der Reisinger dazu hatte aufraffen können, war er gestorben. Jedenfalls konnte man jetzt noch prima über den Zaun steigen. Genau genommen konnte man auch prima mit einem Gehwagerl darüberfahren, wenn man eins dabeigehabt hätte. Dem Laschinger traute ich eigentlich kein Attentat zu. Aber dem Attentäter traute ich durchaus zu, dass er diesen Weg gewählt hatte, um auf mich zu schießen.
»Martin?«, schrie Großmutter aus dem Küchenfenster. »Kannst amal schnell schaug’n?«
»Schau nur«, rief ich ihm grinsend zu. »Und sag ihr, dass sie dir eine Aspirin geben soll. Und trink keinen Kaffee. Sondern Wasser. Viel Wasser.« Maarten verkrümelte sich, noch immer mit sehr unglücklicher Miene.
Ich bückte mich unter einem Busch hindurch und tauchte im Garten der Laschingers auf, wo ich mich zwischen zwei Brüsten wiederfand, braun und riesig, und hemmungslos zu kreischen begann. Eine weibliche Leiche, war mein erster Gedanke.
Als die Leiche nass und kalt an meine Wange klatschte, war mir plötzlich klar, dass es ein riesiger Badeanzug war, umgedreht, die festen Körbchen nach außen zeigend, die mir jetzt nass um die Ohren schlugen.
Ich hielt mir selbst die Hand vor den Mund und hoffte, dass mich niemand hatte schreien hören. Da sich nichts regte, sah ich mich auf dieser Seite der Hecke ein wenig um.
Beim Laschinger war es auf jeden Fall nicht so ordentlich gehaindelt wie bei der Reisingerin. Unter der Hecke wuchsen Schöllkraut und Brennnesseln dicht an dicht. Gut, dass das die Reisingerin nicht wusste. Die hätte bestimmt einen Vortrag über die Windverbreitung von Samen gehalten. Ich bückte mich, weil ich etwas Helles unter der Hecke leuchten sah. Vielleicht ein Indiz, das die Spurensicherung übersehen hatte. Aber nein. Zwei Zigarettln, eine nur halb geraucht. Das war ja auch nicht schön, dass der Laschinger im Garten rauchte und seine Zigarettln ins Gebüsch warf. Aber was wollte man von jemandem erwarten, der unter der Hecke das Unkraut wuchern ließ.
Ich ging durch den Garten zum Jägerzaun, kletterte hinüber und kam an der Stelle raus, wo der Kaugummiautomat stand. Irgendwann im Laufe des letzten Jahrzehnts hatte irgendjemand das Glas eingeworfen und die Kaugummis geklaut.
Unzufrieden ging ich auf der Straße wieder zurück zu Großmutter. Wahrscheinlich hatten die von der Spurensuche schon alle Indizien eingesammelt. Das sah ihnen ähnlich. Mein Herz wummerte noch wie blöd, und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich demnächst zu heulen anfangen würde. Das war doch kein Zustand, dass man Angst haben musste, dass jemand herumballerte, mit der Absicht zu treffen. Ich konnte nicht einmal mehr gegen Badeanzüge laufen, ohne hysterisch zu werden.
In unserem Garten stand Großmutter mit dem Karton vom Papiermüll und stopfte gerade alles in die Papiertonne.
»Des ganze Papier im Postkasten, des macht mich noch stocknarrisch«, sagte sie und ließ die Tatsache unkommentiert, dass ich gerade hinters Haus gegangen war und nun die Straße entlanggelaufen kam. Ich rettete schnell meine Mehlschwitze aus der Papiertonne.
»Die ist ganz neu«, protestierte ich und schüttelte entgeistert die Packung hin und her, die jetzt leer war.
»Da waren die Wurmerln drin«, erklärte Großmutter. »Deswegen hab ich’s in den
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