Und jeder tötet, was er liebt
vermögend gewesen, das Ehepaar lebte in einer Mietwohnung in Dortmund. Den einzigen Luxus, den sie sich geleistet hatten, war eben dieses Wohnmobil, aber die Täter schienen geglaubt zu haben, dass bei ihnen etwas zu holen war. Obwohl der Ehemann sich auf die Forderung eingelassen und das Geld beschafft hatte, war bis zum heutigen Tage kein zweiter Anruf des Erpressers mehr eingegangen. Man konnte davon ausgehen, dass die Frau schon lange nicht mehr am Leben war. Doch Esther Lüdersen hatte einen Kleinwagen, einen fünf Jahre alten Peugeot gefahren.
„Weber, einen Augenblick.“ Anna nahm ihn zur Seite.
„Vielleicht sollten wir Alfons Lüdersen einen Besuch abstatten. Was meinen Sie?“
„Ich meine, Sie machen das allein.“
Anna Greve telefonierte mit Lüdersens Büro und bekam die Auskunft, dass er heute nicht zur Arbeit erschienen war. Also setzte sie sich in ihren Wagen und machte sich auf den Weg nach Nienstedten.
Es war bereits Nachmittag, doch Alfons Lüdersen öffnete die Tür im Morgenmantel. Er hatte tiefe Ringe unter den Augen, und sein Haar war ungekämmt. Er sah aus, als sei er gerade erst aus dem Bett gekommen.
„Ich fühle mich nicht besonders wohl.“ Lüdersen strich sich mit der Hand über sein unrasiertes Kinn. „Kommen Sie herein.“
Heute war er Anna fast sympathisch.
„Warum haben Sie uns nichts von dem Anruf Ihrer Frau in der Nacht, in der sie verschwand, erzählt?“
„Das hat bestimmt dieser Penner behauptet, oder?“
„Bitte beantworten Sie meine Frage.“
„Ich habe nicht mit ihr gesprochen. Mag sein, dass Esther versucht hat, mich anzurufen, aber die Kassette fehlte in unserem Anrufbeantworter.“
Lüdersen machte eine Pause, dann sah er Anna wie von weit her an.
„Wenn es stimmt, was dieser Maas sagt, habe ich mir wirklich etwas vorzuwerfen.“
„Der Anruf Ihrer Frau bei Herrn Maas ließ doch den Schluss zu, dass sie Opfer eines Verbrechens geworden ist. Haben Sie sich gar keine Sorgen um sie gemacht?“
„Ich habe gleich am nächsten Tag eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Außerdem bat ich einen Bekannten um seine Hilfe, Ihren Vorgesetzten Herrn Kuhn.“
Also doch. Ihr Chef hatte demnach sehr wohl mit verdeckten Karten gespielt.
„Ist auch nach dem Peugeot Ihrer Frau gefahndet worden?“
„Ja, soweit ich weiß, sogar bundesweit, aber ich wollte nicht, dass Esthers Verschwinden publik wird. Ich habe Herrn Kuhn um Diskretion gebeten. Nach einigen Tagen des Nachdenkens hielt ich es sogar für möglich, dass meine Frau für eine Weile weggefahren sein könnte.“
Lüdersen stand auf, um sich eine neue Tasse Kaffee zu holen.
„Hatten Sie Streit mit ihr?“
„Natürlich nicht. Wir waren aneinander gewöhnt. Trotzdem, ich habe nie aufgehört, sie zu lieben.“
„Die Gewohnheit und das Geschäft ...!“
„Selbstverständlich habe ich das Geschäft in ihrem Sinne geleitet. Esther hat davon profitiert, dass ich in der Firma geblieben bin, anstatt mir eine eigene Existenz aufzubauen. Ich habe durch die Heirat eine große Verantwortung übernommen. Wenn man ein solches Unternehmen führt, darf man nicht nur an das eigene Glück denken.“
Er konnte einem wirklich leidtun. Anna Greve überlegte.
„Sind Sie eigentlich in der Firma Ihrer Frau angestellt, Herr Lüdersen?“
„Ich bin geschäftsführender Gesellschafter der LÜBAU mit einer zehnprozentigen Beteiligung.“
„Wie hoch ist Ihre Einlage in die GmbH gewesen?“
„Insgesamt waren es hunderttausend Euro, Esther zahlte ihrer Beteiligung entsprechend neunzig Prozent ein und ich den Rest.“
Dann holte er aus und erzählte den Werdegang der LÜBAU, wie sich aus dem kleinen Handwerksbetrieb durch die Arbeit seines Schwiegervaters mit der Zeit ein mittelständisches Unternehmen entwickelt hatte. Wilfried Hinrichs hatte von der Gründung einer GmbH nichts wissen wollen, sein Geschäft sollte auch weiterhin seinen Namen tragen, meinte er und basta. Der Vorteil, nämlich dass er im Falle eines Konkurses nicht mit seinem Privatvermögen haften würde, schien ihn wenig beeindruckt zu haben. Die neue Geschäftsform war erst vor fünfzehn Jahren eingeführt worden, nachdem Esther Lüdersen Eigentümerin des Betriebes geworden war.
Sie waren weit vom eigentlichen Thema abgeschweift, höchste Zeit, wieder darauf zurückzukommen.
„Haben Sie eine Geliebte, Herr Lüdersen?“
„Ich bin meiner Frau immer verbunden gewesen.“
Anna lächelte. „Haben Sie noch miteinander geschlafen?“
Lüdersen zog
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