Und plotzlich ist es Gluck
was ich zu sagen habe, ruhig und mit ernster Miene.
»Ich wollte dir nur mitteilen, dass ich schwanger bin, Hailey.«
Einen Augenblick sieht es so aus, als hätte es ihr die Sprache verschlagen, doch dann lächelt sie, und es ist, als würde nach einem langen grauen Tag endlich die Sonne durch die Wolkendecke lugen. »Das sind ja tolle Neuigkeiten, Scarlett«, sagt sie. »Meinen Glückwunsch.«
Ich spüre, wie mir Tränen in die Augen steigen. Wohl, weil ihre Worte so aufrichtig erfreut klangen. Und sie hat ja Recht – es sind tolle Neuigkeiten. Warum habe ich nicht schon längst alle informiert?
Ich begebe mich in die dritte Etage, wo mir im Korridor
Eloise und Lucille entgegenkommen. Zweifellos sind sie gerade auf dem Weg zur Toilette.
»Guten Morgen«, sage ich, und statt wie üblich mit einem kurzen Nicken an ihnen vorbeizuhasten, bleibe ich vor ihnen stehen, so dass sie beinahe mit mir zusammenstoßen. »Ich wollte euch nur sagen, dass ich ein Kind bekomme. « Ich nütze das verblüffte Schweigen, das meiner Enthüllung folgt, um etwas zu klären, das mir seit dem Tag, an dem ich die Tests gemacht habe, nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist. »Und übrigens: Katzen jagen nicht aus purer Lust am Töten. Sie sind Raubtiere. Das wollte ich euch nur noch sagen.«
Mit ihren blonden Mähnen und ihren French-Manicure-Nägeln und ihrer Solariumbräune sehen Eloise und Lucille aus, als hätte man die eine von der anderen geklont, und jetzt ist sogar ihre Miene exakt dieselbe – ein Ausdruck verwirrter Fassungslosigkeit, weil sie es von mir hören und nicht längst über irgendeine andere Informationsquelle erfahren haben. Es dauert eine Weile, bis sie sich wieder gefangen haben und in der Lage sind, mir einigermaßen glaubwürdig zu gratulieren.
»Du meine Güte!«, quiekt eine von ihnen. Ich glaube, es ist Eloise. »Das ist ja … so was von unglaublich! Äh … tja, dann … gratuliere!«
»Ja, Scarlett, herzlichen Glückwunsch«, stimmt die andere mit ein. Ich lächle und setze meinen Weg fort, damit sie möglichst rasch in ihren natürlichen Lebensraum zurückkehren und die Nachricht verbreiten können, ehe sie zerplatzen.
Als Nächstes statte ich Gladys Montgomery einen Besuch ab. Sie telefoniert gerade mit Tanya Forsythe.
»Nein, Tanya, üüüberhaupt kein Problem … Ja, Tanya … Aber nein, Tanya. Natürlich, Tanya … Wiederhören,
Tanya. Alles Gute. Tschü-hüss! Tschüss, tschüss. Tschüssi! « Gladys legt auf und sieht mich an. »Das war Tanya Forsythe.«
Ich rede nicht lange um den heißen Brei herum. »Gladys, ich habe eine sehr erfreuliche Nachricht, und ich finde, du solltest es als eine der ersten in der Firma erfahren.«
Als ich ihre geschockte Miene sehe, wird mir klar, dass sie annimmt, ich würde über die neue Stelle reden. Die Beförderung, an die ich, wie mir gerade auffällt, seit dem Bewerbungsgespräch vorige Woche kaum mehr gedacht habe.
»Ich bin schwanger. «
Ihre Lippen zucken, doch sie bringt kein Wort heraus. Ich fülle ein Glas mit Wasser und reiche es ihr.
»Ich bin in der einundzwanzigsten Woche«, fahre ich fort, weil ich weiß, dass Gladys diesbezüglich ein bisschen wie ich ist. Sie braucht Details. Daten und Fakten und Zahlen.
Jetzt spiegelt sich die pure Freude in ihrem Gesicht wieder. Sie starrt mich an, doch was sie sieht, ist ihre Zukunft – so, wie die kleine Dorothy in Das zauberhafte Land an der letzten Biegung der gelben Ziegelstraße plötzlich vor sich die Stadt Oz erblickt, die golden im Sonnenschein glänzt.
Gladys springt auf, so hastig, dass ihr Stuhl nach hinten kippt, was sie gar nicht zu bemerken scheint, und kommt mit ausgestrecktem Arm auf mich zu. Schon ist sie so nah, dass ich die Rennies riechen und den Spalt zwischen ihren Schneidezähnen sehen kann, und darüber das nackte rosa Zahnfleisch.
»Meinen Glückwunsch, Scarlett.« Sie ergreift meine Hand und schüttelt sie kräftig. Ihre Finger fühlen sich warm und feucht an, wie Brotteig.
»Hast du es Simon schon erzählt?« Die Augen hinter ihren dicken Brillengläsern vollführen einen regelrechten Freudentanz.
»Dem wollte ich es als Nächstes sagen.«
»Kann gut sein, dass er erst morgen hier aufkreuzt – er ist erst heute in aller Herrgottsfrühe zurückgekommen und todmüde, der Ärmste.« Gladys ist nicht in der Lage, ein Pokerface aufzusetzen, und seit sie weiß, dass sie quasi einen Royal Flush in der linken und ein Full House in der rechten Hand hält, sieht sie aus, als
Weitere Kostenlose Bücher