Und plotzlich ist es Gluck
Widerrede duldet.
»Ginge es nicht auch bis Montag?«, frage ich, als hätte ich seinen Tonfall nicht bemerkt. »Sofia Marzoni hat nämlich für dieses Wochenende einen Lokaltermin in Clemantine Castle angeordnet, das heißt, ich habe erst Sonntagabend Zeit, mir alles in Ruhe durch den Kopf gehen zu lassen.«
»Also gut«, sagt er. Es klingt wie das Bellen eines wütenden Hundes. Noch liegt der Hund an der Kette, aber ich weiß, es dauert nicht mehr lange, dann wird die Meute losgelassen.
43
Da alle gleichzeitig nach Tara zurückkehren, bricht auf einen Schlag das Chaos über das Haus herein. Ruhe und Beschaulichkeit sind höchstens noch in den Tiefen des Kellers zu finden. Der Lärm kommt mir vor wie ein alter Freund, den ich seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen habe.
Phyllis eilt durch die Küche und begibt sich schnurstracks in den Garten, um nach ihren Hühnern zu sehen. George zockelt mit Koffern und Mänteln beladen hinter ihr her. Er hält zwei große, kreisrunde Lutscher in der Hand, von denen er mir einen überreicht.
»Für wen ist denn der andere?«, erkundige ich mich.
George errötet und starrt auf seine Schuhspitzen. »Der ist für Ellen«, murmelt er bedächtig. »Ich weiß, sie darf so etwas nicht essen … ist ja viel zu viel Zucker drin … furchtbar schlecht für die Zähne …« Er sieht mir in die Augen, wie um sich zu versichern, dass ich weiß, dass ihm das klar ist. »Aber sie sollte nicht die Einzige sein, die nichts bekommt.«
»Danke, George«, würge ich hervor.
Der liebe, ruhige George, der jeder meiner Schulaufführungen beigewohnt hat und sogar mit Phyllis beim Elternsprechtag war, wenn Maureen und Declan nicht hingehen konnten. Er würde dasselbe für Ellen tun, wenn ich ihn darum bitten würde. Aber das werde ich nicht, weil ich nämlich vorhabe, selbst hinzugehen. Ich straffe die Schultern und verspreche es Ellen.
»Hast du den Hühnern das Pfannenfett gegeben, wie ich es dir aufgetragen habe?«, ruft Phyllis aus der Küche.
Phyllis füttert ihr Federvieh stets mit dem in der Pfanne verbliebenen Fett, nachdem sie ihr Essen nach allen Regeln der Kunst frittiert oder gebraten hat. Allerdings habe ich die Pfanne seit ihrer Abreise kein einziges Mal verwendet, und außerdem mache ich mir Sorgen um die Cholesterinwerte der Hühner. Ich gebe ihnen lieber Getreide und Samen und Nüsse. Zugegeben, die Eier schmecken dann nicht ganz so gut, aber dafür wirkt das Federvieh ungleich lebhafter.
Ich höre, wie die Eingangstür aufschwingt und krachend an die Wand schlägt, gefolgt vom dumpfen Plumpsen diverser Gepäckstücke. Maureen und Declan verteilen wohl gerade ihren Kram in der Eingangshalle, und dort wird alles liegen bleiben, bis jemand – ich – es aufhebt.
»Scarlett! Wir sind wieder da-ha!«, rufen sie wie aus einem Mund, und ich bin erleichtert, denn das bedeutet, dass die beiden ihre Streitigkeiten beigelegt haben und ich in den kommenden Tagen nicht wie ein Gummiball zwischen ihnen hin und her springen muss.
Ich lege die Lutscher in die Obstschale, wohl wissend, dass Maureen sie als Mikrofone missbrauchen wird, wann immer sie in der Küche singt, und geselle mich zu meinen Eltern.
»Ach du grüüüne Neune!«, kreischt Maureen. »Du bist ja so … so … schwanger!«
»Allerdings«, pflichtet Declan ihr bei und beugt sich zu meinem Bauch hinunter, um Ellen flüsternd zu begrüßen. »Du hast einen Riesenbauch gekriegt«, stellt er fest und lächelt freudestrahlend zu mir hoch.
»Ihr habt die Dreharbeiten also gut hinter euch gebracht? «, frage ich, während er »Yellow Submarine« von
den Beatles in meinen Bauch summt. Ich spüre Ellen zappeln, als würde sie dazu tanzen.
»Ja. Der Dreh war ein großer Erfolg«, informiert mich Maureen, die, noch im Mantel, in die Küche geht, um sich ein Glas Weinschorle zu holen. »Alles im Kasten, wie man so schön sagt.«
Declan schleicht sich von hinten an sie an und beginnt an ihrem Ohrläppchen zu knabbern, als wären sie allein. »Ich liebe es, wenn du mit Filmvokabular um dich wirfst.«
Bryan erscheint in der Tür. Er trägt mehrere Taschen, eine Plätzchendose, eine Auswahl von Maureens Federboas sowie zwei Lacrosse-Schläger auf dem Arm. Declan besteht darauf, die Schläger überallhin mitzuschleppen, obwohl weder er noch jemand aus seinem Bekanntenkreis Lacrosse spielt. Er sagt, Lacrosse sei in Kanada sehr beliebt. Schade nur, dass ihm irgendwie nie Kanadier über den Weg laufen.
Bryan sieht sich um auf der
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