Und plotzlich ist es Gluck
Magnet gebeten hat. »Wo ist sie?«
»In der Kutsche«, sagt Red und deutet auf das Gefährt mit den vier rosaroten Pferden, das inzwischen vor dem Kirchhof geparkt hat.
Ich atme erleichtert auf. Sie ist hier, immerhin.
»Und?«
»Sie weigert sich, auszusteigen«, berichtet Filly und blickt mich erwartungsvoll an.
»Gehen wir«, sage ich mit dem letzten Rest Autorität, den ich noch aufbieten kann, und marschiere los.
Die vier Pferde halten die Köpfe gesenkt, als würden sie sich schämen. Ich dränge mich durch die Menge, die sich um die Kutsche versammelt hat – Sofias Schwestern und ihr aufgebracht wirkender Vater – und klettere hinein. Sofia Marzoni thront mutterseelenallein auf der Bank im Inneren und sieht mit ihrer Turmfrisur und ihrem riesigen Hochzeitskleid aus wie eine Walt-Disney-Figur aus einem Zeichentrickfilm, der kein Happy End hat. Ich setze mich zu ihr.
»Es tut mir so leid, Scarlah«, sagt sie. »Ich dachte,
ich könnte es tun, aber ich kann nicht. Ich kann einfach nicht.«
Als ich in die Kutsche gestiegen bin, hatte ich eigentlich vorgehabt, die Situation zu retten, ihr einen Gips und ein Paar Krücken zu verpassen und sie an Sofias Seite zum Altar zu schicken. Doch jetzt nehme ich Sofias kalte Hand in meine kürzlich gewärmte und drücke sie fest.
»Mir tut es auch leid«, flüstere ich.
»Was?«
»Ich hätte vorhin mit dir reden sollen. Ich hatte insgeheim befürchtet, dass es so kommen würde, aber ich wollte es einfach nicht wahrhaben.«
»Ich wollte auch so einiges nicht wahrhaben«, sagt Sofia. »Ich dachte, ich könnte es durchziehen, aber jetzt ist alles anders. Ich kann einfach nicht …«
Die Kutsche wackelt, und Red Butler erscheint in der Tür. Er schiebt sich ins Innere und beugt sich dann über Sofia, um sie zu umarmen, so behutsam, als wäre sie aus Kristall und könnte jeden Moment zerspringen.
»Schon gut, Sofia. Es war eine dämliche Idee. Ich hätte dich nicht dazu ermutigen sollen.«
Wieder schwankt die Kutsche, etwas heftiger diesmal, und Valentino Marzoni kämpft sich durch die Tür. Seine Miene ist verbissen, aber seine Krawatte sitzt immer noch perfekt.
»Was isse los?« Die Frage ist an mich gerichtet, und ich weiß, ich sollte sie beantworten können, schließlich bin ich die Hochzeitsplanerin. Allein, ich kann nicht. Ich weiß nur eines ganz sicher.
»Sofia wird heute nicht heiraten«, teile ich ihm mit.
Sofia, Red und ich lehnen uns nach meiner Ankündigung alle nach hinten, so weit es geht. Valentino atmet ein, bis er aussieht, als würde er gleich platzen. Er öffnet
den Mund, um etwas zu sagen, aber Sofia kommt ihm zuvor. »Es tut mir leid, Papà«, schnieft sie. »Ich habe mich verliebt.«
»Ich weiße«, sagt Valentino. »Desewegen gebe ich doch so eine Vermögen aus für deine Hochezeite, nichte wahr?«
»Nein, Papà«, sagt Sofia. »Ich rede nicht von Red. Ich habe mich … in Hailey verliebt.«
Der Ausdruck »platzen vor Wut« war mir zwar theoretisch ein Begriff, aber jetzt bin ich im Begriff, live mitzuerleben, was das bedeutet. Valentino Marzonis Hemd spannt über seiner Brust, seine Augen sind weit aufgerissen und drohen schier aus den Höhlen zu treten, und sein Gesicht ist leuchtend pink, als hätte ich ihm einen Eimer Lebensmittelfarbe über den Kopf gekippt. Er ballt die Fäuste.
Ausgerechnet in diesem Moment öffnet Hailey die Tür und gesellt sich zu uns. Das nenne ich grottenschlechtes Timing. Doch Valentino ist so außer sich, dass er sie gar nicht bemerkt.
»Ich … Ich weiß es schon seit Jahren, Papà. Seit ich ein Teenager war«, gesteht Sofia. »Nicht das mit Hailey, sondern dass ich … Aber ich wusste ja, was du von … solchen Leuten wie mir hältst, und ich hatte Angst, es dir zu sagen … Und ich wusste, du wünschst dir, dass ich heirate, genau wie meine Schwestern …«
Man könnte eine Stecknadel fallen hören. Keiner wagt es, sich zu bewegen. Wir wagen nicht einmal zu atmen. »Und du?«, zischt Valentino Red an.
Dieser räuspert sich. »Sofia und ich sind seit Ewigkeiten befreundet. Sie hat mich um einen Gefallen gebeten, und ich … ich wollte ihr bloß helfen.«
»Aber die Ehe isse eine Institution!«, brüllt Valentino. »Eine heilige Sakrament!« Er wird kontinuierlich lauter. »Manna kann es nichte einfach benutzen, umme sich zu
verstecken oder umme einer Freundin zu helfen.« Er wirft erst Sofia, dann Red einen strafenden Blick zu. »Isse viel zu wichtig!«
»Red ist unschuldig«, mischt sich Sofia
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