Und plotzlich ist es Gluck
ein. Sie blickt zu Red und lächelt ihn an, obwohl sie in Tränen aufgelöst ist. Wie gesagt, es ist kaum möglich, es nicht zu tun. »Ich habe Red gebeten – nein, gebettelt –, mich zu heiraten. Er dachte, er tut mir einen Gefallen. Wir hatten vor, ein halbes Jahr zusammenzuleben, und dann hätte ich mich scheiden lassen, mit dem Argument, Red hätte eine Affäre. Ich dachte, dann würdest du es bestimmt verstehen, wenn ich nie wieder heiraten will. Ich dachte, danach könnte ich einfach in Ruhe und Frieden mein Leben führen. Aber dann habe ich Hails kennengelernt.«
Sofias Vater wirft Hailey einen bösen Blick zu. Sie wird blass, hält ihm jedoch wacker stand, dabei wirkt Valentino nach wie vor ziemlich einschüchternd, obwohl sein Gesicht nicht mehr ganz so pink ist wie vorhin.
»Und was haste du dazu zu sagen?«, bellt er sie an.
Einen Augenblick denke ich, dass Hailey vor Angst bestimmt kein Wort herausbringt, doch dann öffnet sie den Mund. »Ich … ich liebe Sofia«, stottert sie, und das genügt.
Nun gesellt sich auch Filly zu uns in die Kutsche, die zwar bereits überfüllt ist, aber da Filly so spindeldürr ist, findet sie trotzdem noch einen Platz. »Na, habe ich etwas verpasst?« Das ist wohl die Untertreibung des Jahrhunderts.
»Ich liebe Hailey«, verkündet Sofia, und diesmal lächelt sie.
»Ich wusste es.« Filly klatscht sich auf den Oberschenkel. »Und Hailey liebt dich auch, stimmt’s?«, hakt sie nach, um sicherzugehen, dass es keine unerwiderte Liebe ist. Filly ist kein großer Fan von unerwiderter Liebe.
»Ja, das tue ich«, bestätigt Hailey mit ihrer Stimme, die klingt wie ein Lied. Ein Lobgesang.
»Hach, wie romantisch«, seufzt Filly, begeistert über dieses Happy End.
»Und es könnte sein, dass ich Ellens Vater bin«, platzt Red heraus, und alles starrt ihn an.
»Wer zum Teufel isse Ellen?«, fragt Valentino. Er klingt erschöpft.
»Scarletts Baby«, erklären Red, Sofia und Hailey wie aus einem Munde.
Sofia schüttelt den Kopf. »Lieber Himmel, Red, an deinem Feingefühl solltest du noch etwas arbeiten«, stellt sie fest. »Wir sollten heute eigentlich heiraten, erinnerst du dich?«
»Ja«, sagt Red. »Und es tut mir auch wirklich leid, aber … Ich weiß, ich hätte es dir schon längst sagen sollen … Aber dann wurde alles so … kompliziert …«
Valentino sackt in sich zusammen wie ein Heißluftballon mit einem Riss. Einen Augenblick herrscht Stille, wie in einem vollbeladenen Aufzug, der zwischen dem Keller und dem Erdgeschoss stecken geblieben ist.
Dann mustert mich Valentino, und ich schrumpfe unter seinem strengen Blick. »Und du, Scarlett O’Hara?«, sagt er schneidend, und alle halten die Luft an. »Was haste du zu deine Verteidigung vorzubringen?«
Ehe mir auch nur ein einziges Wort einfallen kann, spüre ich, wie sich wieder eine Braxton-Hicks-Kontraktion ankündigt. Diesmal bohrt sich der Schmerz von hinten in meinen Körper wie ein Spaten. Ich springe keuchend auf, verharre, als würde ich warten, ohne zu wissen, worauf. Der Schmerz wandert nach vorn, und ich krümme mich, und dann macht es Platsch!, und etwas Warmes ergießt sich zwischen meinen Schenkeln auf den Boden der Kutsche.
»Du liebe Zeit, Scarlah, sag bloß, du hast dir in die Hosen gemacht.« Das war Sofia. Klingt, als wäre sie dankbar für die kleine Ablenkung.
Der Schmerz fließt durch mich hindurch und verebbt. »Nein, ich …«
»Ist dir etwa gerade die Fruchtblase geplatzt?«, fragt Red und sieht von meinem Gesicht zu der Pfütze zwischen meinen Beinen und wieder zurück. »Oh Gott, es ist die Fruchtblase. Aber das sollte erst passieren, wenn …«
»Das Baby kommt«, beendet Hailey seinen Satz mit ihrer ruhigen, bedachten Art.
»Das Baby kann noch nicht kommen«, sagt Filly. »Du bist erst in der achtundzwanzigsten Woche.«
»Sofia wurde geboren inne einunddreißigste Woche«, sagt Valentino, der zwischen Hailey und Red eingeklemmt ist und vergeblich versucht, sich freizukämpfen.
Es ist schwierig, sich in der überfüllten Kutsche vornüberzubeugen vor Schmerz, aber ich tue es trotzdem. Es ist derselbe Schmerz wie gerade eben, und er zwingt mich, die Augen zu schließen, als könnte ich ihn sonst womöglich sehen. Ich taste blindlings nach etwas, an dem ich mich festhalten kann, bekomme einen Haarschopf zu fassen und ziehe kräftig daran, bis der Schmerz nachlässt. Dann öffne ich vorsichtig die Augen. »Entschuldige, Red«, keuche ich. »Ich musste mich irgendwo
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