Und plotzlich ist es Gluck
Bettgestell ab. Al Pacino hat die feindseligen Schwingungen zwischen uns offenbar wahrgenommen, denn er baut sich neben seinem Herrchen auf. Red schiebt die Finger in das provisorische Hundehalsband. »Hör zu, ich weiß, das klingt alles ziemlich verfahren, aber … Nun, es gibt da einiges, das du nicht weißt.«
»Nämlich?«
»Scaaaarlett!« Die Stimme unserer Haushälterin schallt vom Fuße der Treppe zu uns herauf. »Dein Welsh Rarebit steht auf dem Tisch.«
»Welsh Rarebit?«, fragt Red.
»Ein Schinken-Käse-Toast ohne Schinken«, erläutere ich und schnalze mit der Zunge in Richtung Blue.
»Ich sollte gehen.« Red zieht eine Leine aus der hinteren Hosentasche und hakt sie an Al Pacinos behelfsmäßiges Hundehalsband.
»Ja, das solltest du.« Ich trete hinaus in den Korridor, doch statt zur Treppe zu gehen, schwenke ich in das nächstbeste Zimmer, das zufällig das Schlafzimmer meiner Eltern ist. Ich schließe die Tür und bewege mich auf das Bett zu. Es herrscht das übliche Chaos, doch heute habe ich nicht den Nerv, Ordnung zu schaffen. Ich schiebe lediglich einige Halsketten und Schals und Haarteile beiseite und setze mich auf die kleine freie Fläche. Ich bin allein, und der Raum wirkt riesig. Selbst Blue hat mich im Stich gelassen. Er ist mit diesem lächerlichen Hund davonstolziert, als würde er ihn schon sein Leben lang kennen.
Ich lege eine Hand auf meinen Bauch und denke an Ellen. Sie ist allein, wie ich. Der Gedanke weckt meinen Beschützerinstinkt. Jetzt bin ich bereit für mein Versprechen: Dieses Kind wird einen normalen Vater und eine normale Mutter haben. Es wird keine Komplikationen geben, das werde ich nicht zulassen. Ellen soll Eltern haben, auf die
sie sich verlassen kann. Zunächst einmal mich. Und dann John Smith. Bis Brasilien war er sehr verlässlich, und ich bin sicher, er könnte es wieder sein.
»Ich hole John Smith für dich zurück«, flüstere ich ihr zu.
Unten in der Küche steht Declan mit einer Packung Frühstückszerealien unter dem Arm allen im Weg und stopft sich mit Rice Krispies voll. Maureen drückt demonstrativ ihre Zigarette im Aschenbecher aus, so schwungvoll, dass die Funken fliegen, während Phyllis große Scheiben Käsetoast auf fünf Teller verteilt. Red sitzt neben Maureen. Als ich eintrete, sieht er hoch und zuckt hilflos und verlegen die Achseln. Ich kann mir gut vorstellen, was geschehen ist. Maureen hat darauf bestanden, dass er bleibt. Zugegeben, in puncto Beharrlichkeit kann sie es ohne weiteres mit der russischen Armee aufnehmen, aber ich finde, Red hätte etwas mehr Gegenwehr leisten können. Ich wende mich ab und erblicke seinen Hund und meinen Kater in der Ecke. Sie haben sich eng aneinandergekuschelt wie ein frisch verknalltes Liebespaar und schlafen tief und fest.
Ich setze mich.
Einen Augenblick lang sind wir eine ganz normale Ansammlung von Menschen, die Käsetoast essen. Bis Maureen den Mund aufmacht.
»Ach, Red, entschuldige, dass ich vorhin mitten in der Schilderung über deinen Film davongelaufen bin«, flötet sie. »Cyril hatte eine kleine Krise wegen seiner Rolle. Habe ich schon erwähnt, dass ich in einem Musical mitwirke? « Sie strahlt ihn an, wobei sie ihm mit der Hand über den Arm fährt und sie auf seiner Schulter ruhen lässt. Red scheint diese Vertraulichkeit nicht zu stören. Er ist es wohl schon gewöhnt, dass sich ihm die O’Hara-Frauen an den Hals werfen.
»Ist alles in Ordnung, Scarlett?«, erkundigt sich Phyllis. »Du bist ganz rot angelaufen.«
»Das ist sie doch immer«, winkt Maureen ab. »Im Ernst, Red: Sie errötet wegen jeder Kleinigkeit. Erinnerst du dich, als du in der Late Late Show erzählt hast, Scarlett sei zwölf und hätte gerade auf die Oberschule gewechselt, Declan? Dabei war sie erst zehn und noch in der fünften Klasse. Sie war puterrot, als die Kamera auf sie geschwenkt hat. Wie ein Teller rote Bete. Ganz im Ernst.«
»Das lag aber daran, dass er Gay Byrne auch erzählt hat, ich wäre in Mister Campbell, meinen Mathelehrer, verknallt. Und ganz nebenbei bemerkt war ich damals elf«, sage ich, doch Maureen redet bereits.
»Wir haben noch die Aufzeichnung von dieser Sendung, falls du sie dir ansehen möchtest, Red«, sagt sie und beugt sich zu ihm, so dass sich ihr Dekolleté direkt über seinem Tellerrand hebt und senkt. Dann widmet sie sich ihrem Essen, spießt mit der Gabel ein dreieckiges Stück Toast auf, ohne auf eine Reaktion von Red zu warten. Wenn es nach ihr geht, wird er sich die
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