Und taeglich grueßt die Evolution
Gesichtspunkten aus. Die Palette der individuellen Vorlieben ist bei Homo sapiens wohl größer als bei irgendeiner anderen Art. Doch selbst im aufgeklärten 21. Jahrhundert scheinen mitunter noch immer Entscheidungsmuster aus Mammutjäger-Zeiten durchzuschimmern.
Harem oder Zweisamkeit: Alternative Familienbilder
Ein Mann und eine Frau schwören sich ewige Treue und ziehen gemeinsam ihre Kinder auf. Diese christlich geprägte Vorstellung von Familienglück haben die Europäer zu Kolonialzeiten in alle Winkel der Erde exportiert. Ob die Menschen auch von ihrer Biologie her zur Monogamie neigen, ist schwer zu sagen, weil niemand weiß, welche Form der Partnerschaft von den Ahnen des Homo sapiens bevorzugt wurde. Viele Wissenschaftler vermuten allerdings, dass sich Menschen im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte nur selten mit einem einzigen Partner begnügt haben. Dafür sprechen nicht nur körperliche Indizien, sondern auch ihr Verhalten.
Im Herbst 2005 avancierten Kaiserpinguine zu Ikonen des konservativen Weltbildes. Als der Dokumentarfilm »Die Reise der Pinguine« in die US-Kinos kam, feierten streng christliche Kreise die Vögel als leuchtende Vorbilder in Sachen Partnerschaft und Familienleben. Tatsächlich haben Pinguine einen Hang zur Treue, für den es handfeste biologische Gründe gibt. Zum einen sparen sich die Tiere so den Aufwand, jedes Jahr einen neuen Gefährten zu suchen, zum anderen bringen aufeinander eingespielte Paare ihre Eier und Küken leichter durch. Wenn einer der Partner im Meer auf Nahrungssuche ist, muss er sich darauf verlassen können, dass der andere in der Zeit den Nachwuchs betreut. Ein Lebensraum wie die Antarktis verzeiht keine Fehler beim Brutgeschäft. Wenn sich die Tiere zur Paarung in ihren Kolonien versammeln, versuchen sie daher oft den bewährten Partner vom letzten Jahr wiederzufinden.
Pragmatischer Umgang mit der Treue
Allerdings können sie nicht allzu lange auf einen Gefährten warten, der vielleicht nie zurückkommt. Die Brutsaison in der Antarktis ist kurz, die Vögel haben keine Zeit zu verlieren. Wenn der gewohnte Partner nicht auftaucht, wählen sie einen anderen. Dieses pragmatische Vorgehen führt dazu, dass die verschiedenen Pinguin-Arten einen unterschiedlich starken Hang zur Treue haben. Je schwerer der Partner wiederzufinden ist, desto eher kommt es zu neuen Beziehungen. Ausgerechnet der als moralisches Vorbild gehandelte Kaiserpinguin und der eng verwandte Königspinguin fallen dabei durch besonders hohe Trennungsraten auf: Immerhin 80 Prozent der Tiere wählen von Jahr zu Jahr einen neuen Partner.
Auch bei anderen Vögeln ist die lebenslange Partnerschaft nicht so verbindlich, wie man lange vermutete. Zwar scheinen mehr als 90 Prozent der rund 9700 Vogelarten auf den ersten Blick monogam zu sein. Genetische Vaterschaftstests brachten allerdings zutage, dass sich bei vielen Vogelarten auch Nachkommen fremder Väter im Nest befanden. Dass die Weibchen mit einem festen Partner zusammenleben, hindert sie offenbar nicht daran, sich auch mit anderen Männchen einzulassen. Welchen Grund dieser Partnertausch bei den Vögeln hat, ist den Wissenschaftlern bislang noch unbekannt. Möglicherweise gibt es auch keinen, der auf alle Arten gleichermaßen zutrifft.
Die Vor- und Nachteile der Monogamie
Offenkundig hat die Untreue verschiedene biologische Vorteile. So verschaffen sich weibliche Rotschulter-Stärlinge durch Fortpflanzung mit dem Nachbarn das Recht, auch dessen Territorium zu benutzen. Zudem könnte das Fremdgehen einen genetischen Nutzen haben, wenn der feste Partner zeugungsunfähig ist oder nicht sehr hochwertiges Erbgut besitzt. Blaumeisen-Weibchen scheinen sich gegen solche Risiken durch Fremdgehen zu versichern. Tiere, die einen attraktiven Partner haben, bleiben während ihrer fruchtbaren Tage in dessen Territorium. Dagegen werden die Partnerinnen von weniger attraktiven Männchen in dieser Zeit häufig in Nachbarrevieren gesehen.
Es gibt noch andere Theorien über die Untreue bei Vögeln: Das Fremdgehen könnte dazu dienen, mögliche Partner für die nächste Brutsaison zu testen, es könnte aber auch eine Art Sicherheitsgarantie für die Jungtiere sein. Wenn unklar ist, wer der Vater des Nachwuchses ist, kommt es selten zu Kindstötungen, da das Männchen befürchten müsste, den eigenen Nachwuchs umzubringen. Angesichts dieser Vorteile wundert es nicht, dass echte Monogamie auch unter Vögeln selten ist und es stellt sich die Frage, warum sich
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