Und was, wenn ich mitkomme?
sich den Ort angesehen. Dazu wird Pit heute sicher keine Kraft mehr haben. Wir schaffen es gerade noch in eine Bar, um café con leche zu trinken. Auf dem Rückweg zum Kloster besorge ich unser Abendessen, und in warme Decken gekuschelt verspeisen Pit und ich Milchreis, Brot, Käse und Obst auf einer Bank unter Kreuzgangarkaden.
Nach und nach gesellen sich die Mädels zu uns und überreden uns, mit ihnen gemeinsam die Abendmesse der Mönche zu besuchen. Die ist hier ganz anders als das gelangweilte Heruntergeleiere der Ordensbrüder in Cobreces. Hier singen die Männer wie junge Dompfaffe im Frühling, vielstimmig und voller Inbrunst und Aufrichtigkeit, und plötzlich verstehe ich, warum innere Einkehr auch etwas mit Professionalität und Ästhetik zu tun hat. Ich muss nicht besorgt auf den nächsten Patzer warten, sondern kann mich fallen lassen in die Musik und mich führen lassen von der Sicherheit der Vortragenden. Der Gesang füllt mich ganz und gar aus. Ich hätte noch stundenlang in dieser Andacht verweilen können.
Pit und ich sitzen schon längst wieder auf unserem Abendbrotplatz im Kreuzgang. Abenddämmerung legt sich kühl um die grauen Klostermauern. Von drinnen hören wir das Lachen der Österreicherinnen. Die geistlichen Gesänge klingen noch in uns nach, da gesellen sich Rachel und Felix zu uns. Seit unserem Mittagessen in Meson weiß Felix von unserer Gottesbeziehung.
»Ich habe keine Ahnung«, gibt er zu, »weder von Kirchengeschichte noch von Gott selber. Aber ich wüsste gerne mehr als das, was ich vom Hörensagen mitbekommen habe.«
Hörensagen, das sind für die meisten finsteres Mittelalter, Inquisition und Kreuzzüge. Felix aber will Hintergründe. Und so fängt Pit bei Adam und Eva an, arbeitet sich über Gottes Geschichte mit dem Volk Israel über die ersten Konzile bis zum Exodus vor. Er lässt nichts aus, weder das, wofür Christen sich in Grund und Boden schämen müssten, noch das, woraus unsere Hoffnung und Zuversicht besteht. Und Felix kann gar nicht genug bekommen. Uns freuen solche Gespräche, weil unser Glaube das Elementarste, die Grundlage unseres Lebens ist und genau daran ist Felix in aller Ernsthaftigkeit interessiert. Genauso wie mir auf unserer Wanderung über die Hochebene durch Rachels Fragen meine Motive klarer geworden sind, genauso werden wir uns unserer Gottesbeziehung bewusster, wenn wir darüber reden.
Ein weiterer Gesprächspartner setzt sich zu uns, ein Pilger aus Salzburg, der sich mit unerträglichen Allgemeinplätzen in die Unterhaltung mischt. Er sagt, dass kein Mensch mehr so wie wir ernsthaft an einen lebendigen Gott und schon gar nicht an seinen Sohn Jesus glauben könne. Schließlich gebe es mittlerweile »Toleranz der Religionen«. Ob wir davon schon gehört hätten? Gehört schon, geben wir zu, aber die vielen blutigen Religionskriege, die immer noch im Nahen Osten wüten, strafen doch wohl das Gerücht von der viel gepriesenen Toleranz Lügen, oder etwa nicht?
Unser Salzburger lässt das nicht gelten. Egal, was andere machen, ob blutig oder friedlich, er selbst pickt sich einfach aus allem etwas heraus. Schließlich habe jeder die Freiheit, das zu glauben und zu praktizieren, was ihm passt. Weshalb und was genau das ist, kann er jedoch nicht sagen. Es fehlt ihm jegliches Argument und seine Ansichten bleiben schwammig. Bloß eins scheint ihm sicher zu sein: Wer an Jesus als den gekreuzigten und auferstandenen Sohn Gottes glaubt, der spinnt.
Ich entgegne, dass Toleranz bedeute, die Meinung, Werte und Verhaltensweisen anderer zu respektieren. Wenn er genau das von uns einfordert, warum ist er dann nicht selbst bereit, auch uns gegenüber diese Toleranz aufzubringen? Warum versucht er, uns unseren Glauben und das, was Pit ausgeführt hat, abzusprechen und madig zu machen. Doch er weicht jeder unserer Gegenfragen nur mit einer Floskel aus und wirft dabei Christentum, Esoterik und fernöstliche Religionen bedenkenlos durcheinander. Er ist genau der Typ Mensch, der sich beim Wissen übers Hörensagen aufhält und alles daran setzt, jede Art von Weiterdenken auszubremsen. Mich macht so etwas ungeduldig und ärgerlich. Am liebsten würde ich dem arroganten Kerl gehörig die Meinung geigen. Stattdessen versuche ich einzulenken.
»Ich kann niemandem meinen Glauben aufzwingen und ich will das auch nicht. Aber wenn jemand zum Beispiel in meine Ehe einbrechen oder über meinen Mann herziehen würde, spätestens dann wäre es bei mir mit der >Freiheit des
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