Undank Ist Der Väter Lohn.
über das üppige Büffet hermachen würden, das so ziemlich alles bot, von Cornflakes bis zu Räucherfisch.
Doch er hätte sich kein Kopfzerbrechen über seine unangemessenen Gelüste zu machen brauchen. Als er in die Küche von Maiden Hall trat, sah er Nan Maiden vor einem Teller mit Rühreiern, Champignons und Würstchen sitzen, der völlig unberührt war. Sie schob ihn ihm sofort mit den Worten hin: »Sie sagen, ich muß was essen, aber ich kann nicht. Bitte nimm. Ich kann mir vorstellen, daß du jetzt was Kräftiges gebrauchen kannst.«
»Sie«, das waren die Küchenhilfen, die immer vormittags kamen: zwei Frauen aus dem nahe gelegenen Dorf Grindleford, die morgens, wenn die raffinierten Kochkünste Christian-Louis’ nicht erforderlich waren und bei den Gästen sicherlich auch nicht erwünscht gewesen wären, in der Küche das Regiment führten.
»Nimm es dir mit, Julian.« Nan stellte eine Kaffeekanne auf ein Tablett mit Tassen, Milch und Zucker und ging ihm voraus in den Speisesaal.
Nur ein Tisch war besetzt. Nan nickte dem Paar zu, das sich an das Erkerfenster mit Blick auf den Garten gesetzt hatte, und erkundigte sich höflich, wie die beiden die Nacht verbracht und was für Pläne sie für den kommenden Tag hatten, ehe sie sich zu Julian an den Tisch etwas abseits setzte.
Nan schminkte sich nie, und das erwies sich an diesem Morgen als Nachteil. Ihre Augen lagen tief eingesunken, die Tränensäcke waren geschwollen. Ihr Gesicht, leicht sommersprossig von den Fahrten auf dem Mountainbike, die sie in jeder freien Stunde unternahm, um sich fit zu halten, war bleich. Von der Nase zu den Lippen – die längst die natürliche Röte der Jugend verloren hatten – zogen sich haarfeine Linien, die geisterhaft weiß waren. Sie hatte nicht geschlafen; das war deutlich zu sehen.
Doch sie hatte sich umgezogen. Es ging schließlich nicht, daß die Eigentümerin von Maiden Hall ihre Gäste am Morgen in derselben Garderobe begrüßte, die sie am Abend zuvor beim Dinner getragen hatte. Sie hatte also das Cocktailkleid abgelegt und trug statt dessen lange Hose und Bluse.
Sie schenkte den Kaffee ein, während Julian zu essen begann, und sagte dann: »Erzähl mir, wie war das mit eurer Verlobung, Julian? Ich brauche etwas, das mich davon ablenkt, an das Schlimmste zu denken.« Ihr kamen die Tränen, ihr Blick wirkte glasig und verschwommen, aber sie weinte nicht.
Julian zwang sich ebenfalls zur Selbstbeherrschung. »Wo ist Andy?«
»Noch nicht wieder da.« Sie umfaßte ihre Tasse mit beiden Händen, so fest, daß ihre Finger – deren Nägel wie immer bis zum Fleisch hinunter abgekaut waren – weiß anliefen. »Erzähl mir von euch beiden, Julian. Bitte.«
»Es wird bestimmt alles gut«, sagte er. Er brachte es jetzt nicht fertig, sich irgendeine Geschichte auszudenken, etwa der Art, daß er und Nicola sich wie zwei gewöhnliche Sterbliche ineinander verliebt und, dieser Liebe gewahr geworden, beschlossen hatten, sich ein gemeinsames Leben aufzubauen. An so etwas konnte er im Moment gar nicht denken. »Sie wandert nicht das erste Mal. Sie kennt das Gebiet. Und sie ist voll ausgerüstet.«
»Das weiß ich. Aber ich möchte nicht darüber nachdenken, was es bedeutet, daß sie nicht nach Hause gekommen ist. Bitte, erzähl mir von eurer Verlobung. Wo wart ihr, als du sie gefragt hast? Was hast du gesagt? Wie stellt ihr euch die Hochzeit vor? Und wann soll sie sein?«
Nans Gedanken erschreckten ihn. Sie rückten Möglichkeiten ins Blickfeld, mit denen er sich nicht befassen wollte. Das eine hätte ihn gezwungen, das Undenkbare zu denken. Das andere hätte nur neue Lügen herausgefordert.
Er wich aus. »Nicola wandert in den Peaks, seit ihr aus London hierhergekommen seid. Selbst wenn sie verletzt ist, weiß sie genau, was sie zu tun hat, bis Hilfe kommt.« Er lud sich eine Portion Eier und Pilze auf die Gabel. »Unser Glück ist, daß sie mit mir verabredet war. Weiß der Himmel, wann wir sonst angefangen hätten, nach ihr zu suchen.«
Nan sah weg, aber ihre Augen waren immer noch feucht. Sie senkte den Kopf.
»Du solltest optimistisch sein«, fuhr Julian fort. »Sie ist gut ausgerüstet. Und sie gerät in brenzligen Situationen nie in Panik. Das wissen wir doch.«
»Aber wenn sie gestürzt ist ... oder sich in einer der Höhlen verirrt hat ... Julian, so was kommt immer wieder vor. Du weißt es doch. Man kann noch so gut vorbereitet sein, das Schlimmste kann immer passieren.«
»Aber es gibt doch überhaupt
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