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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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unglaublicher erschien es ihm, daß er mit der Begegnung geendet hatte, die er soeben in Notting Hill erlebt hatte.
    Die Menschen besaßen ein unerschöpfliches Potential, ihn in Erstaunen zu versetzen. Er hatte diese Tatsache schon vor langem akzeptiert, merkte aber jetzt, daß er der ständigen Überraschungen, die sie zu bieten hatten, überdrüssig zu werden begann. Nach fünfzehn Jahren bei der Kriminalpolizei wollte er endlich sagen können, daß nichts Menschliches ihm fremd sei. Daß das nicht zutraf – daß Menschen immer noch Dinge tun konnten, die ihn aus der Fassung brachten –, belastete ihn. Nicht so sehr deshalb, weil er das Handeln eines Menschen nicht verstehen konnte, sondern weil er nicht fähig war, es vorauszusehen.
    Er war bei Vi Nevin geblieben, bis sie das Bewußtsein wiedererlangt hatte. Er hatte gehofft, sie würde ihm den Namen desjenigen nennen können, der sie überfallen hatte, und ihm so einen unmittelbaren Grund liefern, dieses Schwein auf der Stelle festzunehmen. Aber sie hatte den Kopf geschüttelt, so dick verbunden, daß von dem verschwollenen Gesicht kaum etwas zu sehen gewesen war, und hatte zu weinen angefangen, als Lynley sie befragt hatte. Er hatte nichts weiter von ihr erfahren können, als daß der Angreifer blitzartig über sie hergefallen und sie deshalb nicht in der Lage gewesen war, ihn zu erkennen. Ob das eine Lüge war, mit der sie sich selbst schützen wollte, konnte Lynley nicht sagen. Aber er glaubte es zu wissen und suchte nach einem Weg, ihr zu helfen, das Notwendige auszusprechen.
    »Dann erzählen Sie mir einfach, was geschehen ist, Schritt für Schritt, denn es kann ja sein, daß etwas dabei ist, eine Kleinigkeit, an die Sie sich erinnern, mit der wir dann –«
    »Das reicht jetzt«, unterbrach ihn die Stationsschwester, das grobgeschnittene Gesicht ein Bild unnachgiebiger Entschlossenheit.
    »War es ein Mann oder eine Frau?« drängte Lynley.
    »Inspector, habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt?« fuhr die Schwester ihn an und beugte sich fürsorglich über ihre kindhafte Patientin, um, ganz unnötig, wie es schien, Bettdecke und Kopfkissen zurechtzuziehen.
    »Miss Nevin?« fragte Lynley dennoch beharrlich.
    »Hinaus!« sagte die Schwester, und Vi Nevin flüsterte: »Ein Mann, Inspector.«
    Das, sagte sich Lynley, war Identifikation genug. Im Grunde sagte sie ihm ja nichts, was er nicht schon gewußt hatte. Er hatte lediglich die Möglichkeit ausschalten wollen, daß Shelly Platt – und nicht Martin Reeve – ihre ehemalige Freundin so übel zugerichtet hatte. Nachdem das nun geschafft war, hielt er es für gerechtfertigt, den nächsten Schritt zu unternehmen.
    Zuerst war er zum Star of India in der Old Brompton Road gefahren, wo ihm der Oberkellner bestätigte, das Martin Reeve und seine Frau Tricia – die Stammgäste des Restaurants waren – in der Tat irgendwann Anfang der Woche zum Abendessen dagewesen waren. Aber niemand konnte mit Gewißheit sagen, an welchem Abend sie an ihrem gewohnten Tisch am Fenster gesessen hatten. Die Kellner schwankten zwischen Montag und Dienstag, während der Oberkellner sich offenbar überhaupt nur an solche Termine erinnern konnte, die in seinem Reservierungsbüchlein notiert waren.
    »Ich sehe, daß sie nicht vorbestellt hatten«, bemerkte er mit angenehm weicher Stimme. »Aber im Star of India muß man vorbestellen, wenn man sicher sein will, einen Tisch zu bekommen.«
    »Ja, das ist richtig. Sie hat mir gesagt, sie hätten nicht vorbestellt«, erklärte Lynley. »Sie sagte, das wäre Anlaß eines Streits zwischen Ihnen und ihrem Mann gewesen. Am Dienstag abend.«
    »Ich streite nicht mit Gästen, Sir«, hatte der Mann beleidigt versetzt, und seine Gekränktheit über Lynleys Bemerkung hatte sein Erinnerungsvermögen nicht beflügelt.
    Diese unsicheren Aussagen des Restaurantspersonals waren Lynley Anlaß genug, trotz der späten Stunde noch bei den Reeves vorbeizufahren. Und während er im Auto saß, rief er sich immer wieder Vi Nevins entstelltes Gesicht ins Gedächtnis. Als er das Ende der Kensington Church Street erreichte und nach Notting Hill Gate abbog, schwelte in ihm ein Zorn, der es ihm leichtmachte, beharrlich zu bleiben, als sich auf sein erstes Läuten bei MKR Financial Management nichts rührte.
    »Ist Ihnen eigentlich klar, wie spät es ist?« begrüßte Martin Reeve ihn wütend, nachdem er die Tür aufgerissen hatte.
    Er brauchte sich nicht erst vorzustellen; Lynley wußte sofort, wer er war. Das

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