Undank Ist Der Väter Lohn.
Denk an die Gäste ... du wirst hier nicht gebraucht«, und hatte Lynley einen hilfesuchenden Blick zugeworfen, auf den dieser nicht reagiert hatte. Denn Nan Maidens Anwesenheit war notwendig, wenn sie der Wahrheit über Nicola Maidens Tod im Calder Moor auf den, Grund kommen wollten.
Sie sagte zu Lynley: »Wir haben nicht erwartet, daß heute noch einmal jemand kommen würde. Ich habe Inspector Hanken gestern gesagt, daß Andy an dem betreffenden Abend zu Hause war. Ich habe ihm erklärt –« ’
»Ja«, unterbrach Lynley. »Das hat er mir berichtet.«
»Dann verstehe ich nicht, was weitere Fragen noch für einen Sinn haben sollten.« Sie stand stocksteif neben der Tür, und ihre Stimme war so verkrampft wie ihr Körper, als sie zu sprechen fortfuhr. »Ich weiß, daß Sie deswegen gekommen sind, Inspector, um Andy zu vernehmen und nicht, um uns über Fortschritte bei Ihren Ermittlungen über das Verbrechen, dem unsere Tochter zum Opfer gefallen ist, zu berichten. Andy würde nicht so aussehen – als wäre er innerlich völlig ausgehöhlt –, wenn Sie nicht gekommen wären, um ihn allen Ernstes zu fragen, ob er ... ob er ins Moor rausgefahren ist, um –« Sie brach ab. »Er war am Dienstag abend hier. Das hab ich Inspector Hanken bereits gesagt. Was wollen Sie denn noch von uns?«
Die Wahrheit, dachte Lynley. Er wollte sie hören. Ja, mehr noch, er wollte die beiden dazu bringen, ihr ins Auge zu sehen. Aber im letzten Moment, als er Nan Maiden klipp und klar hätte sagen können, was für ein Leben ihre Tochter in London geführt hatte, scheute er davor zurück. Früher oder später würde sowieso alles über Nicola herauskommen – in Vernehmungsräumen, in Polizeiprotokollen und beim Prozeß –, daher bestand kein Grund, die Fakten jetzt schon ans Licht zu zerren wie ein grinsendes Skelett, von dessen Existenz Nicola Maidens Mutter keine Ahnung hatte. Wenigstens in dieser Hinsicht konnte er Andy Maidens Wünschen entgegenkommen, vorläufig jedenfalls.
Er sagte: »Wer kann Ihre Aussage bestätigen, Mrs. Maiden? Inspector Hanken hat mir berichtet, daß Andy an dem Abend früh zu Bett gegangen ist. Hat ihn sonst noch irgend jemand gesehen?«
»Wer sollte ihn denn gesehen haben? Unsere Angestellten kommen nicht in unsere Privaträume, wenn sie nicht dazu aufgefordert werden.«
»Und Sie haben im Laufe des Abends keinen von ihnen gebeten, einmal nach Andy zu sehen?«
»Ich habe selbst nach ihm gesehen.«
»Dann verstehen Sie unser Problem, nicht wahr?«
»Nein, das verstehe ich nicht. Ich sage Ihnen doch, daß Andy nicht –« Sie drückte ihre geballten Fäuste an ihren Hals und schloß die Augen. »Er hat sie nicht getötet.«
Endlich waren die Worte ausgesprochen. Die eine logische Frage jedoch, die Nan Maiden hätte stellen müssen, blieb unausgesprochen. Sie fragte nicht: Warum? Warum hätte mein Mann seine eigene Tochter töten sollen? Und das war eine verräterische Unterlassung.
Mit dieser einen Frage hätte Nan Maiden die Mutmaßungen der Polizei über ihren Mann am ehesten angreifen können; sie hätte sie ihnen wie einen Fehdehandschuh hinwerfen können, eine Herausforderung, glaubhaft zu erklären, warum ihr Mann dieses undenkbare Verbrechen wider die menschliche Natur verübt haben sollte. Aber sie stellte die Frage nicht. Und damit verriet sie sich. Denn hätte sie gefragt, so hätte sie Lynley Gelegenheit gegeben, bei ihr Zweifel zu säen, was sie offensichtlich nicht zulassen konnte. Lieber leugnen und vermeiden, als das Undenkbare denken und es dann auch noch akzeptieren zu müssen.
Lynley zwang sie nicht, diese entscheidende Frage vorzubringen, er beantwortete sie aber auch nicht von sich aus. Er sagte lediglich zu beiden: »Was wußten Sie eigentlich über die Zukunftspläne Ihrer Tochter?« und bot Andy Maiden damit Gelegenheit, seiner Frau das Schlimmste zu eröffnen, was es über ihr einziges Kind zu wissen gab.
»Unsere Tochter hat keine Zukunft«, versetzte Nan. »Es ist deshalb völlig sinnlos, über ihre Pläne zu sprechen, wie auch immer sie ausgesehen haben mögen.«
»Ich werde mich einem Lügendetektortest unterziehen«, sagte Andy Maiden unvermittelt, und an seinem Angebot erkannte Lynley, wie verzweifelt er zu verhindern versuchte, daß seine Frau etwas über das Leben ihrer Tochter in London erfuhr. »Es kann doch nicht so schwierig sein, das zu arrangieren, nicht wahr? Wir finden sicher jemanden ... ich möchte den Test machen, Tommy.«
»Andy, nein!«
»Wir
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