Underground
habe ich nicht. Ich muss damit leben.«
»Verstehe … Dann … Es tut mir leid. Aber dann hat das keinen Sinn mit uns. Es wird nicht funktionieren, Harper. Es tut mir leid. Wirklich.«
»Ja, ich weiß. Ich wäre eine tolle Frau, wenn es da nicht diese Geister und die verrückten Dinge gäbe.« Will rutschte auf seinem Stuhl hin und her, und ich hob eine Hand, um ihn aufzuhalten. »Nein. Ich glaube, diesmal ist es an mir, als Erste zu gehen.«
Ich stand auf, wobei ich noch immer meinen Kaffeebecher in der Hand hielt. Als der Kellner vorbeikam, drückte ich ihn ihm in die Hand. »Das will ich nicht mehr.« Dann sah ich Will an. Für einen Moment überlegte ich mir, ob ich ihm in bewährter Hollywoodmanier einen theatralischen Abschiedskuss geben sollte, entschied mich aber dagegen. »Es tut mir auch leid, Will. Ich liebe dich, aber es ist eindeutig: Wir gehören nicht zusammen.«
Ich fühlte mich ziemlich schäbig, als ich das Café verließ. Denn obwohl ich wütend und tief verletzt war, empfand ich doch auch eine große Erleichterung. Zumindest war es jetzt vorbei, und ich musste mich um niemand anderen mehr kümmern als um mich selbst.
Ich fragte mich, ob Will mit den Abgründen mich gemeint hatte. Vielleicht hielt er mich für verrückt und konnte diese Vorstellung nicht ertragen. Oder vielleicht hatte er auch alles begriffen und kam einfach nicht damit zurecht. Selbst eine winzige Dosis Grau war mehr, als ich den meisten Leuten zugemutet hätte – und ganz sicher nicht Will, ganz gleich, wie zornig oder verletzt ich auch sein mochte.
Die Fahrt zurück gestaltete sich ziemlich schwierig. Mir stiegen immer wieder Tränen in die Augen, und auch der Nebel des Grau schien durch den leise rieselnden Schnee dichter zu werden. Die Straße war vereist und trügerisch. So wie ich, dachte ich und wurde wütend auf mich selbst. Zumindest ließ der Zorn meine Tränen versiegen. Ich hielt es für das Beste, jetzt nicht nach Hause zu gehen und mich zu verkriechen.
Also schlug ich etwas Zeit im Fitnessstudio tot und beschäftigte mich dann mit den Nachforschungen für Nanette Grover, ehe ich heimfuhr. Zu Hause angekommen, versank ich in eine tiefe Traurigkeit und hätte mich am liebsten hinter meinem Frettchen versteckt. Ich erledigte etwas Hausarbeit und spielte eine Weile mit Chaos. Das Wetter schien ihm zuzusetzen, denn er zitterte mehrmals. Ob ich wohl die Heizung in meiner Wohnung höher drehen sollte, auch wenn es für mich nicht angenehm war? Allerdings war Chaos bereits sechs Jahre alt, sodass es eigentlich nicht verwunderlich war, wenn er leicht fror.
Ich bot ihm eine Rosine an, was dazu führte, dass er vor Begeisterung einen kleinen Kriegstanz aufführte und mich um mehr anbettelte. Er versuchte meine Beine hochzuklettern und in den Taschen meines Sweatshirts zu suchen, ehe er auf meine Schulter sprang, sich in meinen Haaren verfing und schnurrbärtige Küsse auf mein Gesicht und meinen Hals drückte.
»Hast du deine Niedlichkeit eigentlich schon patentieren lassen?«, fragte ich ihn. Chaos ärgerte sich darüber, dass es keine weiteren Rosinen gab, und verzichtete auf eine Antwort. Stattdessen kletterte er wieder herunter und raste durchs Wohnzimmer, wo er Nixon, der Aubergine, sein Leid klagte. Er nötigte sie dazu, sich gemeinsam mit
ihm in sein Lieblingsversteck neben dem DVD-Spieler zu zwängen. Ich konnte immer wieder das Quietschen des Spielzeugs hören, das Chaos offensichtlich recht heftig bearbeitete.
Etwa eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang wurden meine Versuche, Nixon aus Chaos’ Höhle zu befreien, jäh durch einen Anruf von Edward unterbrochen. Er klang geradezu entzückt, dass ich ihn sehen wollte. Wir vereinbarten, uns um acht im After Dark zu treffen. Es wäre mir lieber gewesen, wenn Quinton als mein Leibwächter hätte mitkommen können, aber ich wusste, dass Edward mit einem solchen Arrangement nicht einverstanden gewesen wäre. Ich wollte ihn auf keinen Fall verärgern, auch wenn ich die Vorstellung hasste, ihn wiedersehen zu müssen.
Nach dem Abendessen zog ich mich so schick wie bei diesen Temperaturen möglich an. Statt meiner üblichen Jeans wählte ich diesmal eine hübsche Hose aus Wollstoff und einen Pullover besserer Qualität. Meine normalen Schuhe wurden durch elegante Stiefel ersetzt. Das Frettchen steckte ich wieder in seinen Käfig. Es begann sogleich, sein Zuhause mit seiner Sammlung aus alten Sweatshirtfetzen zu dekorieren.
Bevor ich Edward traf, wollte ich
Weitere Kostenlose Bücher