Underground
allerdings noch kurz im Büro vorbei, da ich dort noch etwas holen musste.
ACHT
D as After Dark befand sich am Fußende einer marmornen Wendeltreppe. Um dort hinunterzusteigen, musste man oben erst ein Eisentor öffnen. Es war ein Gesellschaftsclub mit einem Foyer, einer Art Audienzraum und einem großen Saal, wo sich die Vampir-Community von Seattle regelmäßig zusammenfand – auch wenn ich sie in Gedanken nicht Community, sondern Rudel nannte.
Ich hatte Quinton gesagt, dass ich den Club besuchen würde, sodass er Bescheid wusste für den Fall, dass ich nicht wieder auftauchte. Ich ging zwar davon aus, dass es mir noch einmal gelingen würde, mir Edward vom Leib zu halten, aber bei Vampiren wusste man nie. Sie hatten andere Beweggründe, Ängste oder auch Tabus als wir Menschen, und es war nicht schwer, etwas Falsches anzunehmen und auf einmal als Mahlzeit zu enden – oder als Spielzeug, wie eine meiner früheren Klientinnen hatte herausfinden müssen. Ich musste mir unbedingt vornehmen, meine immer wieder aufsteigende Wut auf Will zu unterdrücken, denn sonst wäre ich bestimmt ein leichtes Opfer.
Selbst aus einiger Entfernung konnte ich die Gegenwart der Vampire spüren. Die Tür zum Club hatte sich noch
nicht geöffnet, doch im Grau zeigten sich schon Schwaden aus Feuer und Eis, die einen dichten Nebel aus roten und schwarzen Farben bildeten. Ich holte mehrmals tief Luft, um mir Mut zu machen, und stieg dann die Treppe hinunter. Das Eisentor fiel hinter mir ins Schloss und hielt einige junge Leute davon ab, mir zu folgen. Sie hatten offenbar angenommen, dort unten wie überall um den Pioneer Square einen der üblichen Tanzclubs, Bars oder Restaurants zu finden. Die meisten Besucher kamen nur in dieses Viertel, um abends auszugehen. Allerdings hätte ihnen der Empfang im After Dark wohl kaum gefallen, wenn es ihnen überhaupt gelungen wäre, am Türsteher vorbeizukommen. Er öffnete mir nun die schwere, schwarz lackierte Tür.
Soweit ich sehen konnte, war er kein echter Vampir. Die für Vampire übliche Aura aus Tod, Blut und Magie hatte bei ihm nicht die richtige Dichte, und er schien auch nicht so zu stinken, wie das die Blutsauger sonst taten. Er wirkte eher ein wenig gesichtslos – eine Eigenschaft, die den meisten Vampiren überhaupt nicht zusagte.
Er musterte mich und hielt mir dann die Tür auf. »Ms. Blaine«, begrüßte er mich und streckte mir höflich die Hand entgegen, um mir die Jacke abzunehmen. Ich achtete nicht darauf. Ich hatte noch nie meine Garderobe abgegeben und hatte es auch diesmal nicht vor. Untoten fiel nicht auf, wie kalt es war, sodass es auch hier im Club nie besonders warm wurde. Da ich nicht wusste, wie lange es dauern würde, bis ich die Informationen bekam, die ich wollte, hielt ich es für das Beste, meinen Mantel vorerst anzubehalten. Schließlich wollte ich mir keine Lungenentzündung holen.
Einen Moment lang war ich mir nicht sicher, ob mich der Türsteher nicht für mein unverschämtes Verhalten hochkant
rauswerfen würde. Doch er verzog keine Miene. Ich betrat also den Club.
Allein die ersten Schritte aus dem Foyer in den nächsten, schwach beleuchteten Raum verursachten mir eine leichte Übelkeit. Hier sah es so aus, als ob man einen Nachtclub aus den vierziger Jahren betreten hätte. Überall zeigten sich verschwommene Bilder aus der Vergangenheit, die neben den realen Vampiren beinahe heimelig wirkten.
Die Vampire waren alle von rot-schwarzen Strahlenkränzen aus Energie umgeben. Sobald ich eintrat, richteten sich zahlreiche Augenpaare auf mich. Sie beobachteten mich mit unverhohlener Neugier. Jeder Blick schien mich zu durchbohren. Ich war mir sicher, dass sie wussten, wer ich war, und dass sie meine Verbindung zu Edward kannten. Zum Glück war ihnen wohl auch klar, dass ich nicht zur Verfügung stand – es sei denn, die Situation änderte sich. Vermutlich hofften einige sogar, dass eine solche Veränderung eines Tages eintreten würde.
Das normale Gitter aus grauen Energielinien wirkte hier verschwommener und verwackelter als an anderen Orten. Ich wusste nicht, warum. Beim letzten Mal war mir das gar nicht aufgefallen. Doch damals hatte ich an andere Dinge gedacht und war zudem noch nicht in der Lage gewesen, die Besonderheiten des Grau genauer zu beobachten. Diesmal fiel mir jedoch auch auf, dass es hier unten wesentlich weniger Gespenster gab, obwohl die Anwesenheit des Todes sehr stark war. Ich schob meine Überlegungen und meine Angst für den Moment
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