Ungeahnte Nebenwirkungen
hatten.
»Die Stellvertretung ist zu Ende«, informierte Mirjam sie mit unbeteiligter Stimme.
Wovon sprach sie? Nicole konnte die Aussage in keinen logischen Zusammenhang stellen und blickte Mirjam deshalb ziemlich verwirrt an.
»Dr. Wild ist zurück«, erklärte Mirjam lächelnd. »Er ist von seiner Weltreise zurück und wird ab Montag seine Zahnarztpraxis wieder selbst führen.«
Ach so, das hätte sie ja gleich sagen können. Aber was bedeutete das im Klartext? Hieß das, dass Mirjam jetzt arbeitslos war?
»Was wirst du tun?« fragte Nicole beklommen. Sie fühlte, wie Angst in ihr aufstieg.
Mirjam zuckte die Schultern. »Ich weiß es noch nicht so genau«, sagte sie ruhig. »Im Fachblatt der vereinigten Zahnärzte werden immer wieder Stellvertretungen gesucht, doch im Moment möchte ich nicht aus der Stadt weg.«
Erleichtert atmete Nicole auf. Sie wollte bleiben. Ich bedeute ihr doch etwas, dachte sie frohlockend.
»Es ist eigentlich auch nicht nötig, dass ich immer arbeite«, fuhr Mirjam fort. Sie schöpfte sich noch eine Portion Salat.
»Da gibt es einen Kollegen, der sucht eine Aushilfe für vier Monate. Das wäre schon verlockend, doch seine Praxis liegt fast eine Autostunde weit weg von hier«, erklärte die Zahnärztin zwischen zwei Bissen. »Da hätte ich zu wenig Zeit für meine Familie«, schloss sie mehr zu sich selbst sprechend. Mirjam stand auf und räumte die leeren Teller ab.
Familie? fragte sich Nicole alarmiert. Von welcher Art Familie sprach Mirjam? Sie hatte doch nicht etwa selbst eine Familie? Das wäre ja der Hammer! Ganz von der Hand weisen konnte Nicole diesen Verdacht aber nicht. Das würde auch erklären, weshalb sie nicht unbedingt arbeiten musste, denn dann hätte sie ja einen sogenannten Ernährer. Nicole fühlte, wie ihr das Nachtessen wieder hochkam. Sie würgte es mit aller Gewalt wieder dorthin zurück, wo es hingehörte, in den Magen. Doch der Gedanke an die »Familie« ließ Nicole nicht los.
Mirjam verhielt sich manchmal wirklich eigenartig. Obwohl sie im Bett sehr genau wusste, was sie von Nicole wollte, hätte sie nicht mit Sicherheit ausschließen können, dass Mirjam nicht zumindest eine heterosexuelle Vergangenheit hatte. Oder vielleicht führte die Zahnärztin ein Doppelleben? Verdammt, wieso wusste sie nichts von ihr!
»Was ist mit dir?« fragte Mirjam dicht an Nicoles Ohr. »Hat dir das Essen nicht geschmeckt?«
Sie hatte sich neben Nicole auf den Boden gekniet und umarmte sie.
»Doch, doch, es war gut«, beeilte sich Nicole zu bestätigen.
»Ich fühle mich nur etwas überrumpelt von deinen Eröffnungen.« Das habe ich jetzt nett gesagt, gratulierte sich Nicole im stillen. Zumindest klang es nicht vorwurfsvoll.
»Mach dir keine Gedanken, ich werde schon etwas finden, wenn ich will«, beruhigte Mirjam sie in der fälschlichen Annahme, dass sie sich um ihre finanzielle Zukunft sorgte. »Doch jetzt will ich etwas ganz anderes«, flüsterte sie mit verführerischem Unterton in der Stimme in Nicoles Ohr.
Sie schafft es immer wieder, seufzte Nicole innerlich. Statt drängende Fragen endlich zu klären, stürzte sie sich in ihre Arme, ließ sich von ihr verwöhnen, ertrank in ihrer Zärtlichkeit und vergaß, dass das Leben aus mehr als einer weichen Matratze bestand.
»Allmählich habe ich den Eindruck, deine Liebe bekommt dir nicht besonders«, konstatierte Helen in der Kaffeepause im kleinen Büro. »Erzähl schon, was ist passiert?« drängte sie ihre Freundin, die abwesend den nicht vorhandenen Kaffeesatz studierte.
»Wenn ich das wüsste«, seufzte Nicole. »Im Ernst, ich weiß nicht, woran ich mit Mirjam bin. Ich habe mich schon gefragt, ob sie nicht vielleicht verheiratet ist, Kinder hat, einen Mann, eben eine Familie!«
Helen runzelte die Stirn. »Wie lange geht das jetzt schon mit dir und ihr? Fünf, sechs Wochen?«
Nicole nickte bestätigend. »Aber sie redet nicht«, versuchte sie ihre Zweifel zu erklären.
»Und wieso fragst du sie dann nicht?« Helen schien Nicoles Zurückhaltung nicht zu verstehen. »Ich meine, du liebst sie doch, und sie liebt dich?«
»Genau das weiß ich eben nicht!« War es wirklich nötig, dass ihr Helen ihre Unzulänglichkeit vor Augen führte?
Sie wusste theoretisch genau, was sie hätte tun müssen, um Klarheit in Sachen Mirjam zu erhalten. Doch sie wollte das zerbrechliche Glück, das sie mit ihr teilte, nicht gefährden. Wie Mirjam antworten würde, wenn sie fragte: »Liebst du mich?« konnte sie sich lebhaft
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