Unglaubliche Reise des Smithy Ide
Wahrscheinlich hielt Mom Bethanys Hand, während die Mädchen eins nach dem andern an ihrer großen, wundervollen Tochter vorbeidefilierten. Als alle gegangen waren, kam Count mit seinem Restetablett ins Fernsehzimmer, und Mom, Paula und Bethany machten sich ans Aufräumen.
Es war immer schön bei Paula. Count war unvergleichlich und komisch und eigentlich, glaube ich, ein sehr gutherziger Mann. Er konnte derb und auf eine meistens ziemlich unschickliche Weise wunderlich sein, aber wie mein Pop zu sagen pflegte: »Der Mann würde dir sein letztes Hemd schenken.« Und das war auch so. Nach einer Weile küssten sich alle zum Abschied, und Mom und Bethany fuhren zurück nach East Providence.
Count verspeiste noch zwei Portionen Lamm und befragte Tante Paula ausgiebig nach diesem Prinzen Orloff, und dann sahen sie fern.
Erst nach ungefähr zwei Stunden stellte irgendetwas in Onkel Counts Hinterkopf fest, dass Wiggy, wo immer er sein mochte, ungewöhnlich still war.
51
D er Kerl, der auf mich geschossen hatte, fand mein großartiges Fahrrad schließlich doch noch. Wir brachten es in Rogers Werkstatt, und er und Kenny putzten und ölten es. Ich aß Unmengen von Gemüse und Reis und trank allerlei Saft, während meine Sachen in der Gebirgssonne trockneten. Einen ganzen Nachmittag lang sah ich Kate an ihrem Webstuhl zu und erzählte von meiner Schwester und meinen Eltern und von Norma. Es stimmt schon, eigentlich bin ich jemand, dem es schwer fällt, über irgendetwas zu reden, aber bei Kate war es leicht, und unversehens erzählte ich von meinen Gefühlen, wie ich es noch nie zuvor hatte tun können. Bethany zum Beispiel. Gott weiß, ich habe meine Schwester geliebt, aber in mancher Hinsicht – wahrscheinlich, weil ich ihrer Stimme nie die Stirn bieten konnte – habe ich sie auch ein bisschen gehasst. Hass kann man schwer zugeben. Aber irgendwie, während Kate mitten in diesem sonnigen Verandazimmer einen Teppich webte, war es doch zumindest in Ordnung, ihn zu kennen. Irgendwie.
Kate rief Norma an diesem Abend noch einmal an und sagte nachher, sie glaube, sie könnten echte Freundinnen werden. Gute Freundinnen. Das dachte ich auch. Irgendwie albern, aber ich dachte, ich hätte etwas wirklich Wundervolles für Norma getan. Zumindest war ich froh, dass ich einer Freundschaft auf den Weg geholfen hatte.
Und so fuhren Roger und Kenny mich mit meinem Rad und meinen Sachen nach Durango. Es war ein schöner Tag mit Sonne und Wolken und frostiger Luft, aber ich war für dieses Wetter richtig angezogen und sogar ein bisschen darauf vorbereitet. Ich bekam frischen Mut, als ich einen Blick auf meine Straßenkarte warf. Ich hatte mehr Meilen zurückgelegt, als bis Los Angeles noch vor mir lagen. Allein das zu wissen, gab mir ein großartiges Gefühl. Und das Gemüse tat es auch. Roger zeigte mir ein paar Dehnübungen, und damit ergänzte ich meine Vitamine und Bananen und das Mineralwasser und andere Dinge, die ich kennen gelernt hatte. Ein neues Buch hatte ich auch. Kate hatte es mir geschenkt; sie meinte, es sei das passende Buch für mich. Es hieß Suzanne of the Aspens. Es war ein dickes Buch. Hoffentlich würde es mir gefallen.
Ich verabschiedete mich von Roger und Kenny und radelte über den San Juan River hinunter in Richtung New Mexico. Mein Weg würde mich durch die Navajo-Reservation führen. Kate hatte mir erzählt, dass diese Reservation so groß ist wie New England. Das ist wirklich groß. Fast zu groß für mich, um darüber nachzudenken. Mir gefallen die Dinge besser – oder ich stelle allmählich fest, dass sie mir besser gefallen -, wenn ich zuerst alle ihre kleinen Bestandteile sehen kann. Das ist gut. Ich wusste, wenn ich ein paar der kleinen Bestandteile sehen könnte, würde ich alles besser verstehen, und das Verstehen war immer eine Problemzone für mich.
Als es Abend wurde, war ich fünfundsechzig Meilen gefahren, was ziemlich gut war, wenn man bedachte, dass ich erst spät in Durango losgefahren war. Im Laufe dieser fünfundsechzig Meilen veränderte die Landschaft sich vollständig. Es war, als komme man von einem Berg herunter und am Fuße des Berges liege eine Wüste. Da dehnte sie sich einfach so hin, halbwegs eben. Wind fegte von nirgendwo heran. Ich fuhr von der Straße herunter, hob mein Rad über einen Zaun und schob es ungefähr fünfzig Meter weit von der Straße weg, weit genug, dass das Rauschen der vorbeifahrenden Lastwagen und Autos mich nicht im Schlaf stören konnte. Ich stellte das
Weitere Kostenlose Bücher