Unglaubliche Reise des Smithy Ide
glückliches und zufriedenes Leben ausdenken konnten. Dann brachte Dave die Gäste mit einem Pfiff zum Schweigen.
»Ladys und Gentlemen«, sagte er wichtigtuerisch, als habe er alles zu bestimmen, »Ladys und Gentlemen, wenn ich Sie um Ihre Aufmerksamkeit bitten dürfte. Wie Sie alle wissen, war die Hochzeit des fabelhaft gut aussehenden Jeff Greene und der makellos schönen Bethany Ide nur der Vorbote einer großartigen Zukunft für diese beiden unglaublichen Menschen. Bevor sie sich also umziehen und in die Flitterwochen verschwinden …«
Die Gäste machten Ooooh und lachten.
»… halte ich es für angebracht, Bethanys Bruder und Jeffs nagelneuen Schwager Smithy Ide zu bitten, den letzten Toast auf die beiden auszubringen.«
Wie im Film teilte sich die Menge, und ich stand allein vor dem Büfett. Im ersten Moment hatte ich vergessen, dass ich zwei Gläser Wein in den Händen hielt. Ich kann es nicht gut haben, wenn mich jemand anschaut, schon gar nicht ein ganzer Saal voller Leute mit diesem bescheuerten Hochzeitsgrinsen im Gesicht. Ich stellte das eine Weinglas auf das Büfett und hob das andere mit beiden Händen.
»Ich hoffe«, sagte ich, »ich … ich hoffe, dass jede Menge Glück und lauter Gutes auf meine Schwester wartet.«
Ich überlegte einen Augenblick.
»… Oh, und natürlich auch auf Jeff. Wirklich lauter Gutes.«
Alles lachte über mein Versehen, und das Lachen wurde zum Applaus, und Jeff und Bethany gaben einander einen kleinen Kuss und stießen mit ihren Weingläsern an. Mom und Pop küssten sich auch. Norma war zu mir herangerollt und starrte mich an. Ich wünschte, da hätte ich auch mit ihr angestoßen und ihr einen Kuss gegeben. Aber ich tat es nicht. Ich trank mein Weinglas aus. Dann noch eins, und dann trank ich noch ein paar.
69
A ls ein schmaler, orangegelber Streifen Sonne aufstrahlte, war ich schon seit drei Stunden unterwegs. Ich war zu aufgewühlt gewesen, um zu schlafen. Dass ich hungrig war, hatte vermutlich auch eine Menge damit zu tun. Ich glaube, auf diesem Stück Straße nach Los Angeles hinein war ich so unglücklich wie nirgends sonst. Zweifel ist etwas Schreckliches. Nicht, dass ich irgendwelche Zweifel an meiner eigenen Dummheit gehabt hätte, mit der ich hier tat, was ich tat. Ich war ziemlich sicher, dass ich in meiner eigenen Idiotenwelt lebte. Aber in die mittleren Jahre zu kommen, ohne eine Ahnung von irgendetwas zu haben … Ich versuchte, auf den Rhythmus meines Herzens zu lauschen und ihn beim Fahren zu bewegen, aber mein Gehirn radelte in eine andere Richtung. Schließlich konzentrierte ich mich einfach auf die Straße und folgte dem Flug meiner Schwester über die San Gabriel Mountains.
Ich kam aus der Nacht und blieb auf den Straßen parallel zu den Autobahnen. Das ist übrigens auch etwas, das mich an meinem Blick auf die Welt beunruhigt. Ich sehe die mit Mauern gesicherten Wohnviertel. Ich sehe Autobahnen, so breit wie Parkplätze. Ich sehe eine Stadt im Westen, die sich nach links und rechts ausbreitet und nicht in die Höhe, und ich sage mir: Das hier ist nicht Rhode Island. Als gebe es hier etwas Alltägliches, das ich nicht verstehe. Ich brauchte etwas zu essen. Ich war erschöpft. Ich konnte meine Schwester am Himmel nicht mehr sehen. Meine Reifen platzten beide im selben Augenblick.
Ich ging ungefähr hundert Schritt zurück, um festzustellen, was sie kaputtgemacht haben konnte, aber ich fand nichts. Ich ging weiter, bis ich zu einer Tankstelle kam. Eine Frau betankte ein Auto.
»Arbeiten Sie hier?«, fragte ich sie.
»Sehe ich aus, als ob ich hier arbeite?«
Sie tankte ihren Wagen voll und ging ins Gebäude. Ich folgte ihr, wartete, bis sie bezahlt hatte, und fragte dann den Teenager an der Kasse: »Repariert ihr Fahrradpannen?«
»Fahrradpannen? Nein.«
Ich roch den Kaffee auf der Theke über den Regalen mit Frühstücksgebäck. »Gibt’s Fahrradläden in der Gegend?«
Der Kleine holte ein Blatt Papier hervor und zeichnete mir eine Karte. »Sie sind hier. Okay? Wenn Sie geradeaus auf der Forest bleiben, an der Rinderfarm vorbei, ungefähr … äh … ungefähr sieben oder acht Meilen, dann kommen Sie zur Lippit-Exxon-Tankstelle, und der Typ da, der macht Räder und Skateboards und den ganzen Scheiß. Okay?«
»Danke.«
Ich nahm das Blatt. Ich wollte schon gehen, aber der Kaffee und die Doughnuts wollten, dass ich sie anschaute. »Was kostet Kaffee und Gebäck?«
»Einen Dollar.«
»Einen
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