Unglückskeks - Angermüllers achter Fall
überraschenden Besuch bekommen. Bei mir im Büro sitzt die kleine Jenny aus Reinfeld, die Tochter der Teeladenbesitzerin. Bis jetzt hat sie nur geheult. Aber sie ist eigentlich gekommen, weil sie uns ihrer Meinung nach was ganz Wichtiges zu sagen hat.«
»So, Jenny, meine zwei Kollegen hier hast du gestern ja zumindest kurz gesehen. Das ist Kommissar Angermüller und der da heiÃt Jansen. Sag, musst du nicht eigentlich in der Schule sein um diese Uhrzeit?«
Zumindest die Tränen waren zum Stillstand gekommen. Das Kind schniefte und nickte nur.
»Möchtest du vielleicht was trinken?«, fragte Angermüller fürsorglich, »Limo, Cola? Es gibt auch Kakao, aber den würd ich dir nicht empfehlen, der schmeckt hier immer wie Abwaschwasser.«
»Cola bitte«, sagte Jenny leise. Ohne Aufforderung lief Jansen los, das Getränk zu besorgen, was Angermüller wieder etwas beruhigte bezüglich der gerade zutage getretenen Unstimmigkeiten zwischen den beiden Kollegen.
Das Mädchen bedankte sich artig und nahm ein paar kleine Schlucke aus dem Pappbecher.
»Na, gehtâs wieder?«
Der glänzend schwarze Pagenkopf wippte bestätigend.
»Du heiÃt also Jenny Guo und bist 13 Jahre alt, wie du mir vorhin erzählt hast«, begann Anja-Lena.
»Eigentlich heiÃe ich Chen mit Vornamen. Aber schon seit dem Kindergarten sagen hier alle nur Jenny zu mir.«
»Also Jenny, wenn du sogar die Schule ausfallen lässt, um uns hier zu besuchen, dann muss es ja wirklich wichtig sein, was du uns erzählen willst.«
Die hübschen mandelförmigen Augen schauten aufmerksam, und mit zusammengepressten Lippen bejahte Jenny stumm. Keiner der Beamten sagte etwas, alle warteten gespannt. Dann schien sich die Kleine ein Herz zu fassen.
»Also, Mama und Papa haben sich in letzter Zeit oft gestritten. Meistens wegen Geld. Ich glaube, wir haben wenig davon. Mama hat Papa geschimpft, wegen dem Laden und so. Sie findet nicht gut, was er macht. Und Papa hat gesagt, er geht weg. Also, zu Mama hat er das gesagt.«
Auffallend war die groÃe Ernsthaftigkeit, mit der Jenny für ein Kind ihres Alters erzählte.
»Dein Papa hat gesagt, er verlässt euch?«, fragte Angermüller nach.
»Nein. Er wollte nur weg von Mama. Mich würde er nie allein lassen, hat er gesagt«, antwortete Jenny mit groÃer Ãberzeugung.
»Und jetzt ist er erst einmal verreist?«
»Ja. Für Geschäfte ist er in China. Da ist er öfter. Aber ich glaube, Mama denkt, er kommt nicht zurück. Doch ich weiÃ, dass er zurückkommt. Er hat es mir ja versprochen.«
»Bestimmt, wenn er es dir extra versprochen hat«, bestärkte Anja-Lena das Mädchen.
»Mama hat auch gesagt, Papa hätte in China eine neue Frau, und dass er uns verlassen will. Das glaube ich aber nicht! Wir sind doch seine Familie!«
Eine kleine Pause trat ein. Anja-Lena machte ein ganz betretenes Gesicht und sah zu Angermüller.
»Du, Jenny, sag mal, warum bist du zu uns gekommen?«, fragte sie dann vorsichtig.
Es dauerte einen Moment, bis sie eine Antwort erhielt.
»Vorgestern, als Sie Mama das Foto von dem toten Mann gezeigt haben, da war Mama so komisch. Und danach hat sie zu mir gesagt, dass mein Papa sich noch wundern würde. Dabei hat sie so richtig böse ausgesehen.«
Langsam gewann die Verzweiflung die Oberhand bei Jenny und sie presste wieder die Lippen zusammen, wohl um das Weinen zu unterdrücken. Dann nahm das tapfere Mädchen einen letzten Anlauf.
»Ich weiÃ, sie hat Ihnen bestimmt so schlimme Sachen über meinen Papa erzählt. Aber die sind ganz sicher nicht wahr! Das macht Mama nur, weil sie traurig ist.«
Ein paar Mal bat das Mädchen darum, ihrer Mutter nichts von ihrem Besuch bei der Polizei zu erzählen, und die Beamten versprachen es ihr. Anja-Lena sorgte dafür, dass Jenny in ihre Schule gefahren wurde. Armes Kind, dachte Angermüller, hin und her gerissen in ihrer Loyalität zwischen Mutter und Vater. So war das eben, wenn Beziehungen auseinandergingen. Der gröÃte Schaden blieb oft bei den Kindern hängen. Doch dass zwei Menschen manchmal auch wieder getrennte Wege gingen, war nun mal nicht zu vermeiden. Wer wüsste das besser als er. Wenigstens schien es ihm und Astrid geglückt zu sein, die Auswirkungen ihrer Trennung für Julia und Judith in einem erträglichen Maà zu halten.
»Abgesehen davon,
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