Ungnade: Thriller (German Edition)
gänzlich fremd, während seiner Militärzeit hatte er schon mit ihnen Bekanntschaft gemacht. Er hatte keine Angst davor, und trotz seiner Verletzungen vertraute er darauf, nicht gleich zusammenzubrechen, sollten sie Gewalt gegen ihn anwenden. Panisch machte ihn dagegen der Gedanke, nie wieder in Freiheit zu leben und Sam und die Kinder nur noch flüchtig im Besucherbereich zu Gesicht zu bekommen. Der Verlust seiner Familie war das Schlimmste, was ihm passieren konnte.
Er hatte keine große Ahnung vom britischen Rechtssystem, wusste nicht, ob man ihn heute Abend noch in ein Gefängnis überstellen oder lediglich auf dem Polizeirevier festhalten würde. Er dachte an Kellys Worte: Er war in vorläufigem Gewahrsam , nicht verhaftet. Es war ihm zwar nicht klar, worin der Unterschied bestand, aber da von Polizeibeamten verlangt wurde, sich präzise auszudrücken, bestand kein Zweifel, dass es einen Unterschied gab.
Cahill saß allein hinten in dem Polizeiwagen, in einem Käfig, den man in den Ladebereich des Lieferwagens eingebaut hatte. Alles war sauber, doch der fahle Geruch des Eingesperrtseins ließ sich nicht leugnen. So ein Geruch blieb haften. Verglichen mit den Truppentransportern, in denen er unterwegs gewesen war, war es hier hinten jedoch fast luxuriös.
Nach einer Weile– ihm war das Zeitgefühl abhandengekommen– bog der Wagen scharf ab und hielt. Das Fahrzeug wackelte, als die Bullen, die vorn gesessen hatten, die Türen öffneten und ausstiegen.
Cahill blieb geduldig sitzen und wartete darauf, dass auch die Hecktüren aufgingen. Dann wehte ihm die kühle, frische Abendluft entgegen. Er atmete tief ein, ahnte bereits, dass dies die letzte Gelegenheit dazu für eine lange Zeit sein würde.
Als die innere Tür seines Käfigs aufgeschlossen wurde, blickte er nach draußen. Kelly und Livingstone unterhielten sich mit zwei uniformierten Beamten. Als die beiden hörten, dass der Käfig geöffnet wurde, traten sie zur Hecktür. Entspannt ließen sie ihre Waffen in den Gürtelhalftern stecken, da Cahill in Handschellen vor ihnen stand.
Die Detectives sahen zu, wie der Fahrer und der Beifahrer Cahill beim Aussteigen halfen. Er befand sich in einem weiträumigen, durch zwei große Stahltore von der Außenwelt abgeschlossenen Innenhof mit einem nicht allzu hohen modernen Dienstgebäude mit einem kleinen Türmchen an der Vorderfront.
Die beiden uniformierten Polizisten führten Cahill um den Wagen herum und durch eine Sicherheitsschleuse ins Gebäudeinnere bis zu einem Empfangstresen.
Kelly und Livingstone verschwanden wortlos in einem Korridor, und hinter dem Tresen erschien ein uniformierter Sergeant. Cahill fragte sich, ob er auf einem Podest stand, denn der Mann überragte sämtliche Anwesenden. Ansonsten musste er an die eins fünfundneunzig messen. Er sah aus wie ein alternder Rugbyspieler: breite Schultern, kräftige Arme und eine gebrochene Nase. Über seinem Gürtel wölbten sich erste Anzeichen eines Bierbauches.
» Das ist der Typ vom Hilton«, sagte einer der Beamten, der neben Cahill stand. » Paragraph vierzehn.«
» In Ordnung«, erwiderte der Sergeant und warf einen Blick auf die Papiere, die vor ihm auf dem Tresen lagen. » Sie haben das Recht, einen Anwalt von Ihrer Festnahme zu unterrichten. Haben Sie einen Anwalt?«
» Ja.«
Der Sergeant nahm einen Kugelschreiber und ließ ihn über einem Stapel Zettel schweben. » Name und Telefonnummer?«
Cahill diktierte ihm Logan Finchs Mobilfunknummer und sagte, seine Frau habe vermutlich bereits mit ihm telefoniert.
» Wollen Sie nun, dass ich ihn anrufe?«
» Ja, Sir. Ich möchte, dass Sie ihn anrufen.«
» ›Sir‹, sagt er.« Der Sergeant sah den Polizisten zu Cahills Linken mit hochgezogenen Augenbrauen an. » Das kriegen wir nicht oft zu hören, was, Jungs?«
Die Polizisten lachten.
» Okay, dann wollen wir ihm mal die Taschen leeren und den Gürtel aus der Hose ziehen. Nach einer kurzen Untersuchung verfrachten wir ihn in seine Suite, damit er den Zimmerservice rufen kann.«
Bullenhumor war doch überall auf der Welt gleich.
Während der restlichen Prozedur blieb Cahill ruhig und gelassen. Der riesige Sergeant öffnete die Tür, die zu den Zellen führte, und seine Bewacher begleiteten ihn in einen kleinen, fensterlosen Raum, in dem er von allen Seiten fotografiert wurde und man ihm mit einem Wattetupfer eine DNA -Probe abnahm. Den Scanner, mit dem sein Fingerabdruck digital umgewandelt und gespeichert wurde, kannte er schon aus dem
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