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Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)

Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)

Titel: Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.M. Nightingale
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warf einen misstrauischen Blick auf die Kerzen und die Kreide am Boden. Doch nachdem Seth sie mit dem Finger fest in den Rücken piekte, stand sie auf und setzte sich im Schneidersitz auf die Matratze. Daniel gab ihr das aufgeschlagene Lederbuch und tippte auf einen kurzen Absatz.
         „Lies das laut vor“, sagte er.
         Kyra besah sich die mit blauer Tinte geschriebenen Worte und hob die Augenbrauen.
         „Ist das Latein?“, fragte sie. „Ich versteh kein Wort davon.“
         „Musst du auch nicht“, meinte Daniel. „Es reicht, wenn du es laut aussprichst. Es ist der 29. Psalm aus dem sechsten und siebten Buch Mosis und es wäre ratsam, wenn du ihn auswendig lernen würdest. Es schreckt Geister und Dämonen ab. Jetzt lies vor.“
         Kyra räusperte sich, raschelte mit den Buchseiten und fing dann an zu lesen:
     
    „Adferte Domino filii dei adferte Domino filios arietum.
    Adferte Domino gloriam et honorem adferte Domino gloriam nomini eius adorate Dominum in
    atrio sancto eius.
    Vox Domini super aquas Deus maiestatis intonuit Dominus super aquas multas.
    Vox Domini in virtute vox Domini in magnificentia.
    Vox Domini confringentis cedros et confringet Dominus cedros Libani.
    Et comminuet eas tamquam vitulum Libani et dilectus quemadmodum filius unicornium.
    Vox Domini intercidentis flammam ignis.
    Vox Domini concutientis desertum et commovebit Dominus desertum Cades.
    Vox Domini praeparantis cervos et revelabit condensa et in templo eius omnis dicet gloriam.
    Dominus diluvium inhabitare facit et sedebit Dominus rex in aeternum.
    Dominus virtutem populo suo dabit Dominus benedicet populo suo in pace“
     
          Nichts geschah. Kyra wartete eine etwaige dramatische Wirkung ab, doch alles blieb ruhig. Kein Windstoß durchfuhr die Flammen der Kerzen. Sie spürte keinerlei schützende Kraft, hörte nicht mal ein leises Glimmen oder ein Flüstern. Vorsichtshalber las sie sich noch einmal den Text durch, ob sie vielleicht etwas falsch ausgesprochen hatte, doch sie konnte keinen Fehler erkennen.
         „War es das etwa schon?“, fragte sie und drehte das Buch in den Händen. „Das ist alles?“
         „Es hat funktioniert“, versicherte ihr Daniel. „Kein Zweifel.“
         Er schnappte ihr das Buch aus der Hand und pfefferte es zurück in den Koffer.
         „Dieser Kreis schützt dich nun, du kannst also unbesorgt schlafen.“
         Kyra blickte ihn stirnrunzelnd an. Ganz überzeugt war sie nicht. Doch Daniel und Seth sahen beruhigt und entspannt aus, und so zuckte sie nur kurz mit den Schultern, vergrub sich in der Decke und versuchte, ein wenig zu schlafen. Es fiel ihr nicht schwer. Sie war so müde und schwach, dass sie fast augenblicklich, als ihr Kopf das Kissen berührte, in einen tiefen, ruhigen Schlaf fiel. Und zum ersten Mal seit Tagen, seit dem Zeitpunkt, da der beängstigende Traum sie das erste Mal heimgesucht hatte, verfolgten sie keine Bilder. Sie hörte keinerlei Stimmen, kein Schreien und keine Vorwürfe. Ihr Schlaf war traumlos, schwarz und dunkel und angenehm.
     
         Als Kyra in der Dämmerung aufwachte, lag Seth neben ihr und schnarchte laut. Dröge rieb sie sich den Schlaf aus den Augen und gähnte. Sie fühlte sich ausgeruht und ein wenig kräftiger als zuvor, doch der Hunger in ihrem Körper war auf ein neues Höchstmaß angeschwollen. Mit gerümpfter Nase leckte sie sich über die Lippen, die mittlerweile trocken und rissig waren und leicht bläulich schimmerten. Sie hörte ein dumpfes, monotones Pochen und blickte sich in dem großen Zimmer um. Daniel saß mit übereinander geschlagenen Beinen am Tisch, die Zungenspitze lugte zwischen seinen Zähnen hervor er las angestrengt in dem hellen, zerschlissenen Lederbuch. Flott huschten seine Augen über die Seiten und hielten nur hier und da mal inne, wenn sie eine wichtige Information erhaschten, während die Finger seiner rechten Hand ungeduldig auf die Tischplatte trommelten.
         „Hi“, sagte er steif, ohne den Blick von dem Buch abzuwenden. „Keine hässlichen Träume?“
         „Nein“, antwortete Kyra matt und wühlte sich durch ihre verknoteten Haare. „War alles ruhig. Der Zauber hat wohl funktioniert.“
         „Natürlich hat er das, ich weiß schließlich, was ich tue. Ich bin doch kein Stümper...!“
         Es klang ein wenig vorwurfsvoll und Daniel hatte die Mundwinkel sehr weit nach unten gezogen, als ob er empört darüber

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