Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)
dich nicht erwarten würde. Kein Vampir käme auf die Idee, dich bei den Jägern zu suchen. Es ist der sicherste Platz für uns alle. Ich habe mich so entschieden und du befolgst meinen Befehl.“
„Nein!“, rief Kyra und sprang auf. Die Luft um sie herum war von einem elektrisierenden Knistern erfüllt. „Ihr könnt mich nicht dazu zwingen! Ich will nicht als Schaschlikspieß enden!“ Sie sah Michael verzweifelt an. „Ich befolge alle Regeln, ich lerne jeden Tag! Warum kann ich nicht bei Michael bleiben?“ Kyra schien den Tränen nahe. „Ich bin hier geboren. Ich möchte nicht weggehen.“
Alle anderen standen nun ebenfalls auf, um sie gegebenenfalls an der Flucht zu hindern. Daniels Hand steckte in seiner Jackeninnentasche. Michael warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu und er zog die Hand wieder heraus. Sie standen um Kyra herum, mit ausdruckslosen Gesichtern. Sie wusste, dass sie unmöglich gegen vier ausgewachsene Vampire und einen erfahrenen Jäger kämpfen konnte. Irgendwo hinter seiner kühlen Fassade spürte Michael einen Stich. Sie wollte bei ihm bleiben. Empfand er tatsächlich Mitleid?
„Es gäbe nur eine einzige Alternative“, sagte Amelie.
Kyra verschränkte die Arme und sah ihr herausfordernd in die Augen. Amelie hatte jegliche Wärme und Freundlichkeit verloren und wirkte nun wie eine Hexe aus einem schlechten Horrorfilm. Sie holte einmal tief Luft und ein weißes Glimmen trat in ihre Augen.
„Dein Tod.“
Kyras Gesichtszüge verhärteten sich, doch Amelie redete unbeirrt weiter.
„Solange nicht sicher ist, wer oder was du bist, stellst du ein mögliches Risiko dar. Andere Vampire und Menschen könnten sich von dir bedroht fühlen oder versuchen, dich als Waffe zu missbrauchen. Du siehst, dir bleibt nichts anderes übrig und mal ganz unter uns -“ ihre Stimme wurde immer verzerrter und sie beugte sich gefährlich nahe herunter zu Kyras Ohr „- ich bin es nicht gewohnt, dass meine Entscheidungen angefochten werden. Du wirst also tun, was man dir sagt, oder du lebst mit den Konsequenzen. Und jetzt will ich keine Widerrede mehr von dir hören.“
Kyra sträubten sich die Haare im Nacken. Amelie wirkte wie ausgewechselt und auch die anderen fühlten den eisigen Hauch, den sie verströmte und wichen einen Schritt zurück. Michael wagte es nicht einmal, seinen Blick vom Boden abzuwenden und Joe tat etwas, was er seit seinen Zeiten als Mensch nicht mehr getan hatte: Er kaute tatsächlich auf seinem Daumennagel.
Kyra konnte nicht glauben, was sie da hörte. Mit großer Mühe kämpfte sie gegen die Tränen an, die sich in ihren Augen sammelten. Sie wagte es nicht, auch nur irgendetwas zu sagen, sondern bohrte nur ihre Nägel in die Handflächen. Amelie streckte die Hand nach ihr aus.
„Der Ring“, sagte sie knapp.
Kyra sah sie fragend an.
„Gib mir den Ring!“, wiederholte Amelie nun etwas lauter und Kyra streifte in Windeseile den Siegelring von ihrem Finger und legte ihn in Amelies Hand.
Fassungslos sah sie, wie sie ihn Daniel gab und dieser ihn nach kurzem Betrachten in seine Hosentasche gleiten ließ.
„Du wirst die Jäger noch heute begleiten“, sagte Amelie. „Wir wollen keine Zeit verlieren. In fünfzehn Minuten bist du von hier verschwunden.“
Kyras Gesicht sah aus wie versteinert.
„Wo kann ich mich noch schnell frischmachen?“, fragte sie tonlos.
„Bad“, antwortete Joe knapp und deutete, ohne sie anzusehen, auf eine Tür unterhalb der Treppe.
Michael blickte Kyra nach, als diese im Badezimmer verschwand und Amelie richtete ihre Worte an ihn.
„Geh mit. Ich möchte nicht, dass sie wegläuft.“
Er tat wie ihm geheißen und schloss die Türe hinter sich.
„Ich hoffe, es macht euch nichts aus, wenn es noch heute ist“, sagte Amelie entschuldigend zu Daniel und setzte ihr freundliches Gesicht wieder auf.
Er war von diesem plötzlichen Stimmungswechsel irritiert und schüttelte nur den Kopf. Diese Vampire waren gefährliche und abnormale Kreaturen und insgeheim war er froh, dass er die Wohnung in wenigen Minuten verlassen konnte. Seine Hand in der Hosentasche umklammerte den schwarzen Onyxsiegelring mit festem Griff. Dieses Schmuckstück war seine einzige Lebensversicherung und er empfand es als absurd, dass so ein kleines Ding
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