Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)
emotionslos, dabei jedoch aufmerksam und konzentriert. Er wäre hübsch gewesen, wenn er nicht so ein fieses Gesicht gemacht hätte. Neben ihm hinter dem Lenkrad saß ein etwas älterer Mann von schütterem, aber dennoch hartem Eindruck. Er hatte sich milde interessiert nach hinten gelehnt und musterte Kyra von oben bis unten. Zwischen seinen Lippen klemmte eine Zigarette. Kyra merkte, dass beide angespannt waren und jede ihrer Bewegungen mit Argusaugen beobachteten. Daniel stieg hinter dem Fahrer ein und brachte einen frischen Duft nach Leder und Kälte mit hinein.
„Fahr los“, sagte er und der Chevrolet setzte sich in Bewegung.
Kyra bemerkte, dass der Blonde ihm einen kurzen, vielsagenden Blick zuwarf.
„Was soll das?“, fragte sie und schob den Flintenlauf mit ihrem Zeigefinger von sich weg.
„Du redest nur, wenn du gefragt wirst!“, fauchte der Blonde und hielt ihr das Gewehr nun grob unters Kinn.
Kyra lehnte sich zurück und starrte ihn an. Ihr Herz pochte schneller.
„Es ist zu unserem eigenen Schutz“, meinte Daniel, während er durch die dunklen Fensterscheiben nach draußen blickte. „Ignoriere es einfach.“
„Es ignorieren?“ Kyra blickte ungläubig drein. „Findest du das etwa witzig?“
„Ein Gewehrschuss bringt dich nicht um. Er würde dich nur schwer verletzen und du würdest eine Menge Blut verlieren, aber deine Wunden heilen doch sowieso in wenigen Sekunden.“
Daran hatte Kyra gar nicht mehr gedacht.
„Amelie würde euch lynchen“, sagte sie nur trocken.
„Amelie muss es ja auch nicht erfahren.“
Daniel grinste und holte dann das kleine Mikrofon aus der Innentasche seiner braunen Lederjacke. Er warf es quer durch den Wagen auf das Armaturenbrett und schlug dann die Beine übereinander.
„Wir fahren nonstop durch nach Phoenix“, erklärte er. „Und du wirst in der Zwischenzeit keine Schwierigkeiten machen. Andernfalls -“, er zog den kleinen, spitzen Pfahl aus seiner Jackentasche, „- werde ich dich die restliche Fahrt über aufspießen. Hast du das verstanden?“
„Bist du immer so unfreundlich?“ Kyra war genervt.
„Nur zu Blutsaugern. Und eigentlich bin ich noch sehr freundlich, wenn man bedenkt, dass ich meine ganze Kraft darauf verwende, Abschaum wie dich zu töten.“
Daniel wusste nicht, warum er so aggressiv reagierte. Er wollte kein Mitleid empfinden. Er durfte es nicht. Alles in ihm wehrte sich gegen das Gefühl, Kyra beschützen zu wollen. Er wusste nicht einmal, warum ihn diese Emotionen überkamen. Erinnerungen flackerten vor seinem Auge auf. Er unterdrückte sie mit aller Kraft.
„Daniel“, sagte der Fahrer und warf ihm durch den Rückspiegel einen warnenden Blick zu.
Daniel kräuselte bebend die Lippen und lehnte sich dann frustriert zurück. Den Pfahl behielt er fest in der Hand.
„Zac, nimm endlich das Gewehr runter“, fuhr der Fahrer in entnervtem Tonfall fort.
Der Blonde namens Zac schien unentschlossen. Er sah Daniel zögerlich an. Als dieser ihm ein kurzes Nicken schenkte, bedachte er Kyra mit einem letzten, angewiderten Blick und drehte sich dann nach vorne um. Das Gewehr legte er zwischen seine Füße. Er schien nicht begeistert darüber zu sein, doch offensichtlich war er innerhalb seines Ordens nicht von hohem Rang und musste die Befehle des Fahrers befolgen. Dieser wiederum machte einen mittlerweile gefassten und ruhigen Eindruck und rauchte eine Zigarette nach der anderen.
„Können Sie bitte damit aufhören?“, fragte Kyra und rümpfte dabei die Nase. „Ich bin ein bisschen empfindlich, was Gerüche angeht.“
Der Fahrer ließ sich nicht lange bitten und schnippte die Zigarette aus dem Fensterspalt. Daniel und Zac waren überrascht.
„Ich bin David“, sagte der Mann. „Und hier habe ich das Kommando.“ Dabei sah er Daniel durch den Rückspiegel an. „Wir bringen dich nach Phoenix zu einer unserer Zentralen und dort wirst du unserem zuständigen Konsul übergeben. Er wird entscheiden, was mit dir geschieht. Bis dahin wirst du nicht einmal an eine Flucht denken. Du wirst niemanden in diesem Wagen beißen. Dafür bedrohen wir dich nicht mit irgendwelchen Waffen. Ist das soweit klar?“
Kyra nickte. David machte auf sie einen sehr väterlichen, aber dennoch autoritären Eindruck
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