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Unheilvolle Minuten (German Edition)

Unheilvolle Minuten (German Edition)

Titel: Unheilvolle Minuten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Cormier
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war. Selbst auf die Entfernung hin hatte sie seinen betroffenen Gesichtsausdruck gesehen. Und sie hatte den Schauplatz verlassen, weil der Junge ihr bekannt vorkam – irgendwo hatte sie ihn schon mal gesehen, vielleicht in der Schule. Und wenn man hinfällt oder einem sonst etwas Blödes passiert, ist das vor Bekannten immer peinlicher als vor Fremden.
    Draußen hatte sie dann gesehen, wie er sich den Ellbogen rieb und dabei so kläglich aussah, als wäre er von seiner Familie und allen Freunden verlassen. Er war attraktiv, hatte aber etwas Trauriges und Sehnsüchtiges an sich. Und da hatte sie ihn spontan angesprochen, hatte selbst darüber gestaunt, wie die Worte aus ihrem Mund kamen. Dann hatte sie die verrückte Geschichte von ihrem abgebrochenen Absatz erfunden. Damit er sich besser fühlte. Was kümmerte es sie, ob sich dieser Junge, dieser Fremde, besser fühlte oder nicht? Das wusste sie nicht, aber irgendeine kleine Faser ihres Körpers reagierte auf ihn. Das Blut floss schneller durch ihre Adern, wenn er sie ansah, mit einem Ausdruck, den sie nicht zu deuten vermochte. Am ehesten ließ sich dieser Ausdruck folgendermaßen beschreiben: Er machte ein Gesicht, als höre er nicht nur ihre Stimme, sondern lausche zugleich einer herrlichen Musik, die von irgendwoher kam. Und das Irgendwo war sie.
    Sie verliebte sich erst zwanzig Minuten später in ihn – es passierte, als sie im Pizza Palace im Einkaufszentrum Pizza mit Peperoni kauten. Dass es Liebe war, erkannte sie allerdings erst später.
    Sie wurden ein Paar, gingen fest miteinander. Spazierten Hand in Hand umher. Sie gingen gern spazieren. Auf den Bürgersteigen von Burnside und Wickburg, am Ufer des Grange River, im Jedson Park, am allerliebsten aber im Einkaufszentrum. Sie empfanden sich als Paar, existierten nur füreinander, wollten alleine sein, zugleich aber waren sie sich der Leute ringsum bewusst, wollten von anderen gesehen werden, freuten sich daran, aller Welt ihre Liebe vorzuführen. Sie fühlte Besitzerstolz, wenn sie Bekannte traf und es ihr gelang, ihn noch dichter an sich heranzuziehen. Einmal stießen sie auf Patti Amarelli und Leslie Cairns, die gerade aus dem Posterladen kamen, und Jane sonnte sich in ihren neidischen Blicken, ihrer unverhohlenen Bewunderung, als sie und Buddy an ihnen vorbeigingen. Sie konnte es sich nicht verkneifen, ihn anzusehen, ihm im Gehen verstohlene Blicke zuzuwerfen. Es gefiel ihr so gut, wie er sich eine Haarsträhne aus der Stirn strich oder wie er sie plötzlich ansah, so voller Staunen, als hätte er sie gerade erst an seiner Seite entdeckt und wäre von dieser Entdeckung entzückt. Sie konnte gar nicht aufhören, ihn zu berühren. Streifte seinen Körper, fuhr mit der Hand über seinen Arm, streichelte seinen Haaransatz im Nacken.
    Er nahm es mit der Körperpflege plötzlich sehr genau. Ein Haarschnitt war jetzt eine ernste Angelegenheit. Er sah unverwandt in den Spiegel, während der Friseur drauflosschnippelte, und passte auf, dass jedes Haar an Ort und Stelle lag. Früher hatte er kein Duftwasser benutzt, nur einfach Seife, noch nicht mal Rasierwasser. Jetzt benutzte er ein Eau de Cologne, nachdem er sich an der Parfüm-Theke in Filene eine Flasche Subtil gekauft hatte. Sprühte sich das Zeug auf die Wangen, den Hals und die Arme. Während er sich mit dem Problem herumschlug, ob er zu viel oder zu wenig aufgetragen hatte, begegnete er Addy vor ihrem Zimmer. Sie blieb stehen, sog mit zierlichem Schnuppern die Luft ein und schüttelte den Kopf.
    »Buddy«, sagte sie lachend, »du hast eine Freundin.«
    Verdutzt fragte er: »Woher willst du das wissen?«
    »Dieser Duft kann nur eins bedeuten.« Als sie sein verlegenes Stirnrunzeln sah, lächelte sie nachsichtig. »Ich find’s toll, Buddy. Du brauchst mir keine Einzelheiten zu erzählen. Aber lass dir von mir einen Tipp geben …«
    Der Tipp bezog sich auf das Eau de Cologne. »Sprüh Parfüm nicht direkt auf dich«, riet sie ihm. »Sprüh’s in die Luft und geh dann hindurch.« Sie machte es ihm vor. »Auf diese Weise haust du sie mit dem Duft nicht gleich um. Er wird dann subtil sein, wie der Name, und sich unauffällig an sie ranschleichen.«
    Als Dank für den guten Rat beschloss er, ihr ein wenig von Jane zu erzählen. Nicht zu viel; er befürchtete, es könnte Unglück bringen, wenn er sich über dieses ganz Besondere, das ihn mit Jane verband, zu sehr ausließ. Vorsichtig hielt er sich an die nackten Tatsachen: wie sie hieß, wo sie sich

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