Unheilvolle Minuten (German Edition)
Krankenhaus, liegt im Koma. Sie ist die Kellertreppe hinuntergefallen. Oder man hat sie gestoßen …« Konnte nicht weitersprechen; ihr wurde die Kehle eng.
Er legte den Arm um ihre Schultern, hielt sie ganz fest. »Ich weiß«, sagte er. Seine Stimme klang heiser, als wäre auch ihm die Kehle eng geworden.
»Das hast du die ganze Zeit gewusst?«, fragte sie und wandte sich zu ihm um. »Warum hast du nichts davon gesagt?«
»Ich wusste nicht, ob es dir nicht zu wehtut, darüber zu sprechen«, sagte er. »Du solltest selbst bestimmen, wann du so weit bist.«
»Es war schrecklich, Buddy«, sagte sie schaudernd, erleichtert darüber, dass das Thema jetzt offen auf dem Tisch lag und Buddy sich nicht von ihr zurückgezogen hatte. Ihr früheres Zaudern, von der Verwüstung zu sprechen, wich jetzt einem starken Bedürfnis, ihm aus ihrer Sicht zu erzählen, was geschehen war, damit er seinen Eindruck nicht aus der Zeitung gewann oder von dem, was er von anderen hörte.
Während sie sprach, schüttelte er immer wieder den Kopf, runzelte die Stirn und zuckte einige Male zusammen, als wäre ihre Qual auch die seine, als hätten die Täter auch ihm Schaden zugefügt. Noch nie hatte sie ihn so sehr geliebt wie in diesem Augenblick.
»Armer Buddy«, sagte sie und streichelte seine Wange. »Nimm’s dir nicht so zu Herzen. Meiner Familie geht es jetzt wieder gut. Die Ärzte sind überzeugt davon, dass Karen bald wieder zu sich kommen wird. Alle Untersuchungen haben ergeben, dass ihr Gehirn keinen Schaden genommen hat.« In Wirklichkeit waren sich die Ärzte keineswegs so sicher, aber er machte einen so traurigen Eindruck, dass sie ihn trösten wollte.
Später, als er sich auf den Stufen vor ihrem Haus von ihr verabschiedete, küsste er sie mit einer Ausdauer und Intensität, dass es ihr den Atem verschlug. Er küsste sie, als würde er sie nie wieder küssen.
»Ich liebe dich«, flüsterte sie, als sie sich seinen Armen entwand. Das hatte sie ihm schon tausendmal gesagt, aber noch nie mit solcher Leidenschaft und Inbrunst. »Danke, du warst wunderbar …« Sie lief ins Haus und die Ereignisse des Abends ließen sie wie auf Wolken schweben. Aber später, als sie in ihren Schlafanzug schlüpfte, fragte sie sich, ob sie ihn nicht nach Harry Flowers hätte fragen sollen.
Unterdessen betäubte Buddy sich zu Hause mit Alkohol. Zum ersten Mal, seit er Jane kennengelernt hatte, betrank er sich bis zur Besinnungslosigkeit.
Zwei Tage später, als sie im Einkaufszentrum aus dem Pizza Palace kamen, entdeckte er Harry Flowers, der gerade von der Rolltreppe herunterstieg. Buddy verkrampfte sich. Mit wilden Blicken sah er sich nach einem Versteck um, obwohl er wusste, dass es kein Entkommen gab. Er wandte sich Jane zu, versuchte Harry die Sicht auf sie zu verstellen. Sie legte seine Bewegung falsch aus und schmiegte sich an ihn, weil sie glaubte, er wollte näher an ihren Körper heran. Mit diesem selbstzufriedenen Lächeln, das er so gern auf ihrem Gesicht sah, schaute sie zu ihm auf. Er fasste sie am Ellbogen, dirigierte sie von der Rolltreppe weg, und Jane ließ sich von ihm führen. Buddy konnte jedoch nicht widerstehen, sich über die Schulter umzusehen. Er riskierte einen schnellen Blick, um sich zu vergewissern, dass Harry sie nicht bemerkt hatte. Die Pizza mit Peperoni lag ihm wie Blei im Magen, als er sah, dass Harry keine acht Meter entfernt von ihm stand und ihm mit einem seltsamen, bösen Lächeln zuwinkte.
Buddy winkte nicht zurück, ließ sich nicht anmerken, dass er Harry gesehen hatte. Stattdessen lenkte er Jane um die Ecke. Mit einem Mal war ihm gottserbärmlich schlecht.
Am Abend, zu Hause, wartete er darauf, dass das Telefon klingelte. Rastlos lief er im Haus umher, schaute zum Fenster hinaus, stellte den Fernseher an, sah eine Weile zu, stellte dann wieder ab. Harry Flowers: sein Schicksal, sein Untergang. Als Jane ihm von der Verwüstung erzählt hatte, neulich auf der Parkbank, hatte er darauf gewartet, dass sie diesen Namen erwähnte. Der Name hatte in der Zeitung gestanden. Jane hatte den Artikel ganz bestimmt gelesen und den Namen gesehen. Voller Angst hatte Buddy darauf gewartet, dass sie sagte: ›Harry Flowers – er geht auch auf die Wickburg Regional Highschool. Kennst du ihn?‹ Sie hatte nichts davon erwähnt, aber seither stand er Qualen aus, wenn er mit ihr zusammen war. Er fühlte sich in der Falle, hilflos. Spürte, dass er nahe dran war, Jane Jerome zu verlieren.
Das Telefon klingelte, als er
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