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Unheilvolle Minuten (German Edition)

Unheilvolle Minuten (German Edition)

Titel: Unheilvolle Minuten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Cormier
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Beispiel ihre Anfangsbuchstaben. Den ersten Buchstaben ihres Vornamens.«
    »Nein, du musst den ganzen Namen raten.«
    Große Pause. Fast hätte Buddy gelächelt. Harry mochte Katz-und-Maus-Spielchen, und jetzt bekam er so etwas mal am eigenen Leib zu spüren.
    Harry seufzte. »Das ist aber schwer. Ich meine, das Alphabet hat sechsundzwanzig Buchstaben, und ihr Name fängt nur mit einem davon an. Ich will dir mal was sagen, Buddy. Darüber muss ich erst nachdenken. Ich brauche ein bisschen Zeit. Heute Abend denk ich darüber nach und morgen ruf ich an, gebe dir durch, auf welche Namen ich tippe. Okay?«
    »Okay«, sagte Buddy und versuchte, sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen.
    »Aber weißt du, was vielleicht noch besser wäre?«
    »Was denn, Harry?«
    »Vielleicht sollte ich Jane Jerome anrufen und sie nach dem Typen fragen, mit dem ich sie heute Nachmittag im Einkaufszentrum gesehen hab. Meinst du, sie lässt mich auch raten?«
    Noch ehe er das Wort raten ganz ausgesprochen hatte, legte Harry auch schon auf. Buddy Walker stand da, und das Freizeichen tönte ihm wie eine kleine Explosion ins Ohr.
    Zwei Tage lang rief Harry nicht zurück und Buddy bekam es mit der Angst zu tun. Er kannte Harry, war mit seinen Tricks und Methoden vertraut, und so fragte er sich, ob Harry eine seiner Unternehmungen plante, wie er das spielerisch zu bezeichnen pflegte. Am dritten Tag beschloss er, Harry zu konfrontieren. Zu Beginn der Mittagspause wartete er auf ihn am Eingang zur Schul-Cafeteria.
    Harry war allein, was Buddy dankbar registrierte. Er trat vor ihn hin, baute sich regelrecht vor ihm auf und versperrte ihm den Weg in die Cafeteria.
    »Ich will mit dir reden«, sagte Buddy.
    »Ich bin am Verhungern, Buddy«, sagte Harry. »Und ich hab gehört, dass es Hackbraten gibt. Du weißt doch, wie gern ich Hackbraten mag. Und ich verabscheue es, beim Essen zu reden …« Das Grinsen in seinem Gesicht; die Akne, die immer da war, wegen seines Auftretens aber immer übersehen wurde; die kühl abschätzenden Augen: seine Haltung, die » Ach, zum Teufel, was soll’s « zum Ausdruck brachte.
    »Es dauert nur eine Minute«, sagte Buddy. Er hatte oft mit angesehen, wie Harry beim Essen ohne Punkt und Komma redete, aber er wusste, dass das nur wieder eine Schau war, eins seiner Spielchen, an denen er seinen Spaß hatte.
    Harry hob ergeben die Schultern, demonstrierte die Geduld, die er Freunden gegenüber aufbrachte.
    »Okay, Harry, das Mädchen ist also Jane Jerome.«
    Harry reckte die Nase in die Luft. »Der Hackbraten duftet herrlich.«
    Buddy konnte in der Luft keinerlei Düfte entdecken, nur den schalen Geruch des Korridors.
    »Warum bist du mir im Einkaufszentrum ausgewichen, Buddy? Warum hast du nicht wenigstens gewinkt? Und mich vielleicht vorgestellt?«
    Entgeistert sagte Buddy: »Himmel noch mal, Harry, du hattest ein Gerichtsverfahren, weil du bei ihr zu Hause alles kurz und klein geschlagen hast. Dein Name stand in der Zeitung. Und du wolltest ihr vorgestellt werden?« Buddy machte eine übertriebene Verbeugung. »He, Jane Jerome, ich möchte dir Harry Flowers vorstellen. Kommt dir der Name bekannt vor? Das ist der Typ, der dein Haus verwüstet hat …«
    Harry setzte sein träges Lächeln auf. »Und ich würde dann sagen: Und wie steht’s mit Buddy Walker? Hat er erwähnt, dass er bei der Verwüstung mit dabei war und sich ganz besonders um dein Zimmer gekümmert hat?« Bedachte Buddy mit einem finsteren Blick. »Hast du an die Wand gepisst oder warst du das nicht? Hast du vielleicht nur auf den Teppich gekotzt?«
    Sprachlos wandte sich Buddy ab. Ihm hatte es den Appetit verschlagen. Jetzt konnte er tatsächlich den Hackbraten riechen, dessen Düfte von der Cafeteria herüberwehten, aber auf ihn wirkte der Geruch abstoßend. Als er sich wieder zu Harry umdrehte, war dessen Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt. Harry beugte sich zu ihm vor.
    »Was zum Teufel treibst du mit ihr?«, fragte Harry. »Ist das eine Art von Irrsinn, oder was? Willst du dir Ärger einhandeln?« Dann erbarmte er sich ein wenig, zog sich ein Stück zurück. »Wie hat das überhaupt angefangen?«
    »Ich hab sie angerufen. Um ihr zu sagen, wie leid mir das tut.«
    »Und da hat sie beschlossen, mit dir auszugehen?« Unglauben in der Stimme.
    »Nein, sie weiß nicht, dass ich der Anrufer war. Aber als ich ihre Stimme am Telefon hörte …« Und während Harry immer weiter die Luft einsog und nach den Düften des Hackbratens

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