Unheilvolle Minuten (German Edition)
erfuhr von Buddys Sauferei, als er sich in der Eingangshalle des Kinos in Wickburg bückte, um ihren Perlenohrring aufzuheben, der auf den Boden gefallen war. Dabei rutschte ihm eine Flasche Gin aus der Tasche.
Später wurde Buddy bewusst, wie dumm es gewesen war, zu einer Verabredung mit Jane eine Flasche mitzunehmen. Als er zu Hause weggegangen war, hatte er aus einem plötzlichen Impuls heraus die Flasche in seine Jackentasche gesteckt. Für alle Fälle. Für welche Fälle? Das wusste er nicht. Aber er war fahrig, nervös. Musste gewappnet sein. Gewappnet wogegen? Gegen alles. Für alle Fälle. Für welche Fälle? Für den Fall, dass Karen plötzlich wieder gesund wurde und Jane ihn ins Krankenhaus mitnehmen wollte, damit er sie kennenlernte. Für den Fall, dass Harry ihn austrickste. Zum Beispiel Jane anrief. Für alle Fälle, Himmel noch mal.
Jane war wie vor den Kopf gestoßen, als sie sah, wie die Flasche aus seiner Jacke fiel und auf dem Fußboden des Foyers zerschellte. Die Flüssigkeit, die sich auf den blank polierten Fliesen ausbreitete, war so klar wie Wasser, aber Jane wusste sofort, dass es sich um Alkohol handelte.
Trotzdem fragte sie: »Was ist denn das?«
Buddy, in der Hocke, hatte sprachlos auf das Durcheinander aus Glasscherben und Gin gestarrt.
»Bud…dyyy«, sagte sie, dehnte seinen Namen in die Länge. »Wozu trägst du eine Flasche mit dir herum?« Ihr wurde peinlich bewusst, dass Menschen an ihnen vorüberströmten und sie neugierig betrachteten. Jemand kicherte, ein anderer lachte.
»Ich …« Das war alles, was Buddy hervorbrachte. Er wollte Jane nicht ansehen, wollte auch das Durcheinander auf dem Fußboden nicht sehen und fragte sich, was zum Teufel er damit machen sollte. Er machte sich daran, die Glasscherben aufzusammeln, fasste sie behutsam an, um sich nicht zu schneiden, und schaute sich dann nach einem Mülleimer um, konnte durch die Beine der Vorübergehenden aber keinen sehen. Als er aufschaute, graute ihm vor ihrem Gesichtsausdruck, vor dem Blick, der das Entsetzen widerspiegelte, das in ihrer Stimme gelegen hatte. Aber sie war fort.
Auf dem Parkplatz, neben dem Wagen seiner Mutter, überkam Jane das Gefühl, als fügten sich lauter Puzzleteilchen zu einem Bild zusammen. Zu keinem sehr klaren Bild, aber immerhin doch ein Bild. Von Buddy, der trank, vielleicht sogar Alkoholiker war. Sie war sich keineswegs sicher. Aber es hatte Hinweise gegeben, die sie nicht beachtet hatte, ganz einfach deswegen, weil sie in Zusammenhang mit Buddy, den sie kannte und liebte, keinen Sinn ergaben. Seine Fahne manchmal, der Geruch, den sie auf irgendeine Medizin zurückgeführt hatte. Sein unablässiger Konsum von Kaugummi und Pfefferminzbonbons, nachdem er ihr einmal gestanden hatte, dass er Kaugummi und Pfefferminzbonbons nicht ausstehen konnte. Seine manchmal etwas schleppende Sprechweise. Eine Zeit lang hatte sie tatsächlich geglaubt, er habe einen Sprachfehler, den er zu vertuschen versuchte. All das hatte sich in ihrem Kopf nicht zusammengefügt. Ihr Misstrauen war ebenso schnell wieder verflogen, wie es aufgeflackert war, so dass sie es kaum wahrgenommen hatte. Während sie jetzt auf ihn wartete, im spärlicher werdenden Menschenstrom, dankbar dafür, dass er unter einem Flutlicht geparkt hatte, zuckte sie beim Gedanken an ihn zusammen. Bei der Vorstellung, wie er im Foyer des Kinos auf dem Boden hockte, mit hängendem Kopf, so wie damals, als sie ihn im Einkaufszentrum zum ersten Mal gesehen hatte. Gott, wie sehr sie ihn liebte. Aber diese Liebe war jetzt nichts als ein einsamer Schmerz, der bis in jede Faser ihres Körpers drang.
Sie sah ihn kommen, sah, wie er langsam über den Parkplatz ging, den Kopf gesenkt, wie ein kleiner Junge, den zu Hause Strafe erwartet. Zärtlichkeit durchdrang den Schmerz und trieb ihr Tränen in die Augen.
»Ach, Buddy, armer Buddy«, sagte sie vor sich hin. Etwas Mitleid mischte sich unter die Zärtlichkeit. Vielleicht war sie voreilig gewesen, hatte die falschen Schlüsse gezogen. Hatte die Hinweise allzu sehr aufgebauscht. Jetzt wollte sie ihn nur noch in die Arme schließen und alles fortküssen, alle schlimmen Dinge in seinem und in ihrem Leben.
Das Gespräch dauerte über eine Stunde, auf dem Parkplatz im Auto, nachdem sich das Kinopublikum schon längst verlaufen hatte. Der Abend wurde kühl und der Wind wirbelte Papierfetzen übers Pflaster.
»Aber ich habe damit keine Probleme«, beharrte Buddy. »Ich trinke, weil es mir schmeckt. Und
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