Unheimliche Begegnungen (German Edition)
in den Turm des Heulens eingeliefert werdet. Das Mädchen wird als Magd zu dem Herrscher von Arganon und Madison gebracht.“
Vinc horchte auf. Wieso war so schnell der Sanktor, der eben noch in sein Ohr geflüstert hatte, nach vorn gekommen und verkündete das Urteil?
Da er sich unmittelbar neben Vanessa befand, fragte er sie leise: „Was war los? Hat nicht vorher der Sanktor mit mir geredet? Hast du es nicht gehört?“
„Nein, hier war die ganze Zeit eine unheimliche Stille. Das hast du dir bestimmt eingebildet.“
„Aber“, Vinc wollte weiterreden, doch er wurde durch einen Schlag in den Rücken daran gehindert. Es kam nur ein Schmerzensschrei über seine Lippen und er vernahm die Worte der Wache kaum noch: „Schweig vor dem großen Sanktor!“
Wieder Stille in der Dunkelheit. Dann ertönte ein Gong und die Wache befahl: „Los, mitkommen!“
Vinc beachtete nicht den Weg, den sie geführt wurden, sondern war wieder tief in Gedanken versunken. Was war geschehen? Wer war dieser Unheimliche, der in seine Gedanken eingedrungen war? Eine Einbildung seiner Fantasie, während sie auf das Urteil des Sanktor warteten, oder gab es tatsächlich noch jemand, der sich im Raum aufgehalten hatte?
Erst als sie an einem Turm angelangt waren, nahm er die Wirklichkeit und auch das Umfeld wieder wahr. Er sah nach oben, konnte aber das Ende dieses runden Gebäudes nicht erfassen. Die Höhe schien endlos zu sein.
Bevor sie in die Türöffnung traten, wurde Vanessa durch eine Wache von ihnen weggeführt.
Vinc sah, wie sie sich nach ihm umdrehte und er meinte trotz der Entfernung ihr flehendes Gesicht zu sehen und auch das Glitzern ihrer Tränen.
Selbst wenn er ihr helfen wollte, könnte er es nicht, denn da er sowieso zum Tode verurteilt war, würde ihn wohl die Wache ohne zu zögern auf der Stelle töten. Er fügte sich genau wie Tom seinem Schicksal.
Bereits als sie den Turm betraten, hörten sie ein seltsames Heulen. Sie wurden in einen Wachraum geführt, worin einige Soldaten saßen, die sich mit einem bizarren Spiel vergnügten.
Als Vinc und Tom am Tisch vorbeigeführt wurden, meinten sie, in einem Horrorfilm zu sein. Die Soldaten hatten Figuren vor sich, die zu leben schienen. Jeder der sechs Krieger besaß eine Gestalt und schickte sie abwechselnd in die Mitte, in der ein Ungeheuer stand. Die Figuren waren etwa zwanzig Zentimeter groß, so die Schätzung von Vinc. Die Ausnahme bildete das Untier im Zentrum, das sie um einiges überragte. Eigenartigerweise ließ sie ihr Begleiter am Tisch verweilen und dem grausigen Schauspiel zusehen, während er zu einem Mann schritt, der gesondert an einem Art Schreibtisch saß. Bevor Vinc das Spiel beobachtete, sah er noch, wie die Wache von dem Sitzenden etwas bekam und sich in die Ohren steckte.
Vinc und Tom beobachteten inzwischen das Geschehen auf dem Tisch. Ein Soldat schickte eine Figur, bewaffnet mit einem Messer, zu dem Untier. Der Unglückliche hatte das Aussehen eines Vierzehnjährigen. Um das Tier war ein Kreis gezogen, über den der Knabe schritt und durch Drohgebärden das Untier reizte. Wenn die Kreatur auf den Kreis zustürmte, wich der Knabe hinter die Linie zurück, die einen unsichtbaren Schutz bot. Nach mehrmaligen Angriffen holte der Soldat seinen Burschen wieder zu sich. Was Vinc auffiel, war, dass es noch einen Kreis in einem gewissen Abstand nach außen hin gab. Aber warum? Dies sollte er beantwortet bekommen, als ein anderer Jüngling zu dem Tier geschickt wurde. Denn als hier dasselbe Spiel mit dem Reizen begann, durchbrach die Bestie den Kreis. Der Knabe floh nach hinten, prallte aber am äußeren Kreis zurück, als wäre da eine unsichtbare Wand. Nachdem das Ungeheuer ihn mit seiner Kralle erwischt hatte, wurde er schwer verletzt. Der Angegriffene stieß einen schrecklichen Schrei aus, so grell, dass es Tom und Vinc in den Ohren weh tat. Dann konnte er nach außen fliehen und das Untier ging, wie von unsichtbarer Hand geführt, auf seinen Platz in der Mitte des Tisches zurück.
Vinc Neugier überwand seine Angst und er fragte einen der Soldaten, was das zu bedeuten habe und wieso dies alles so echt wirke. So sehr er seine Stimme erhob, der Mann hörte ihn nicht, oder wollte ihn nicht hören. Auch die anderen reagierten nicht. Und nun wusste Vinc, warum der andere von dem im Abseits Sitzenden etwas bekommen hatte und sich in die Ohren steckte. Er musste sich vor diesen grellen Schreien schützen. Daher hörten ihn auch nicht die Wachen.
Tom und
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