Unheimliche Begegnungen (German Edition)
gewöhnt, obwohl sie lange im Dunklen zugebracht hatte.
Tom, Vinc und Zubla waren inzwischen auch nach oben gekommen.
„Ist das nicht schön?“, fragte Vanessa und fügte hinzu: „Nach all den dunklen Gängen.“
„Ich weiß nicht, hier stimmt etwas nicht“, meinte Vinc. Er sah in die Runde und sagte weiter: „Da ist der Wald, in den wir geflüchtet waren und wo der Arlt von der Schlange gebissen worden war. Die Verwüstungen, die der Sturm angerichtet hatte, sind auch vorhanden. Aber das Haus dort war nicht da.“ Er deutete auf ein Anwesen. „Da sind auch seitlich Ställe. Das sieht aus wie das Gehöft, das der Sturm vernichtet hatte.“
„Aber das stand genau über diesem Keller, aus dem wir gekommen sind“, stellte Tom fest.
„Ja, da sind auch noch Reste von dem Gehöft. Der meiste Teil wurde von dem Wirbelsturm mitgenommen“, stellte Vanessa fest.
Vinc drängte die Freunde: „Wir müssen von dieser freien Fläche verschwinden. Wer weiß, wer im Wald lauert. Wenn da Arlts drin sind, könnten die uns sehen und dann säßen wir schön im Schlamassel.“
„In was?“, fragte Zubla.
„In der Schei ...“ Tom wurde von Vanessa daran gehindert, das verpönte Wort zu sagen. Sie konnte diesen ordinären Ausdruck nicht leiden, wenn sie ihn auch vor kurzem benutzte. Aber das war nur eine einmalige Entgleisung, so ihr heimlicher Schwur.
Durch Vinc zur Eile angetrieben, gingen sie mit aller nur erdenklichen Vorsicht auf das Gehöft zu. Kurz davor suchten sie Deckung hinter den zahlreichen Büschen, die es umgaben.
Sie beobachteten längere Zeit das Gut. Nichts deutete auf eine momentane Anwesenheit der Bewohner hin. Auffallend war, dass kein anderes Leben existierte. Üblich wären Tiere gewesen, wie herumstreunende Katzen, Hühner, die gackernd im Boden scharrten oder Hunde, die diesen Bauernhof bewachten. Nicht einmal ein Muhen kam aus dem Stall.
„Könnt ihr euch noch an den Hund erinnern, der beinahe die Kette abgerissen hätte, als er uns sah?“, fragte Tom.
Vanessa kam ihm mit dem Satz zuvor: „Nun fang bloß nicht mit deinem blöden Hund von Baskerville wieder an.“
Tom schüttelte den Kopf: „Nein, Schwesterchen, ich meinte wirklich den Hund vom Hof.“
Sie hatten Angst, das Gehöft zu betreten, denn im Inneren des Hauses könnte dennoch jemand sein und ihre Ankunft beobachten. So blieben sie unentschlossen weiterhin im Versteck.
Sie bekamen ein unheimliches Gefühl, als die Sonne hinter dem Haus verschwand und die Nacht hereinbrach.
„Also, ich habe schon lahme Knochen vom Herumsitzen“, meinte Tom. Er stand auf und reckte sich.
Er sah in einem der Fenster ein seltsames Licht. Es war blutrot und flackerte, als sei ein Feuer ausgebrochen. So vermittelte er es auch den Übrigen.
„Ich glaube nicht, dass da etwas brennt. Dann müsste irgendwo Qualm aus den Ritzen kommen“, meinte Vinc.
„Und wenn es dennoch tut? Wenn die Bewohner schlafen und es nicht bemerken? Wir müssen dorthin und sie warnen.“ Vanessa ließ sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen „Ich werde jedenfalls
nicht einfach nur so zusehen“, sagte sie noch. Sie ging in Richtung des Hauses.
Da geschah wieder eine der Merkwürdigkeiten, an die sie sich so langsam gewöhnten, besser mussten: Es zog Nebel herauf, aber nicht wie üblich sich langsam bildend, sondern er war mit einem Mal da. So dicht, dass man sprichwörtlich nicht die Hand vor Augen sehen konnte.
Vinc, der Vanessa nicht mehr wahrnehmen konnte, forderte sie auf, stehenzubleiben. Doch er bekam keine Antwort von ihr.
So plötzlich, wie der Nebel da war, war er auch wieder verschwunden. Ein heller Stern beleuchtete die Umgebung. Vinc sah unbewusst nach oben und da sah er wieder diese seltsame schwebende Insel. Er wusste inzwischen, dass nur er sie sehen konnte, er behielt daher seine Beobachtung für sich.
„Das gibt’s doch nicht!“, hörte er Tom rufen.
Er wollte nach dem Grund des erstaunten Ausrufs fragen, als er es selber sah. Das Anwesen war verschwunden. Es lag nur noch eine leere Fläche vor ihnen. Aber was das Schlimmste war, sie sahen Vanessa nicht mehr.
„Zubla, weißt du, wo Vanessa ist?“, fragte Vinc. Er schaute sich nach dem Gnomen um, doch auch er war verschwunden.
Ungeachtet dass sie durch ihr Rufen nach Vanessa entdeckt werden könnten und sich damit einer großen Gefahr aussetzen würden, riefen sie lauthals nach ihr. Doch ihr Bemühen war vergebens, sie und ihr kleiner Freund blieben verschwunden.
Nach einer Atempause
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