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Unheimliche Begegnungen (German Edition)

Unheimliche Begegnungen (German Edition)

Titel: Unheimliche Begegnungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Vehler
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Gräbern und den schiefen heiligen Symbolen an den Stirnseiten, schien eher eine beruhigende Wirkung zu haben, als eine bedrückende.
    Was sie jedoch früher nur nebenbei wahrnahmen und auch nicht so richtig registrierten, weil es für sie als Kinder von der Erde Alltägliches bedeutete, waren jetzt, nachdem sie sich intensiver mit dem heiligen Symbol der Ykliten befassten, dass auch Kreuze, also das christliche Symbol, auf den Gräbern standen.
    Doch durch die seltsamen Ereignisse der letzten Zeit wollten sie sich nicht noch mit neuen Fragen belasten, obwohl der Satz von Vanessa mehr als nur eine Frage aufwarf: „Wieso gibt es hier Kreuze?“
    Vinc reagierte nicht darauf, er sagte nur: „Hörst du das auch?“
    Sie nickte.
    Es war als spielte ein Klavier. Die Töne formten sich zu einer Hymne und Stimmen vieler Kinder nahmen die Melodie auf und sangen unverständlich Worte. Wie getragen und trostreich war die Melodie. Wie frisch waren die jungen Stimmen. In den Gedächtnissen von Vinc und Vanessa tauchten entsprechende Erinnerungen und Bilder wieder auf: wie sie zur Kirche gingen, im Freien spielten, auf der mit Brombeersträuchern bewachsenen Gemeindewiese herumtollten, Papierdrachen am windigen, mit Wolken durchsegelten Himmel, hochsteigen ließen. Die Sehnsucht nach der Erde überkam sie.
    Was sollten diese lieblichen Melodien und die Stimmen der Kinder? Ihnen die Furcht nehmen? Oder bezweckte der Gesang, dass sie in irgendeinen Bann gezogen werden sollten, wie einst der Gesang der Loreley die Schiffer auf dem Rhein bewogen hatte, ihre Boote gegen den Felsen zu steuern, angelockt durch ihren betörenden Gesang?
    Doch plötzlich verstummten die Melodien und es herrschte im wörtlichen Sinne Grabesruhe.
    So überkam sie doch ein Unbehagen. Anfangs noch als tröstend und beruhigend empfunden, beunruhigte sie diese kleine Begebenheit wieder.
    Waren es die Geisterkinder gewesen? Wollten sie ihnen etwas mitteilen?
    An diesem Ort gab es seltsamerweise auch den Mond, obwohl über Arganon nur ein mondähnlicher Stern zu sehen war, gleich dem Morgenstern, nur tausend Mal größer.
    „Du siehst doch auch den Mond?“, fragte Vanessa unsicher.
    „Ja. Eigentlich unmöglich, dieser Erdtrabant dürfte doch gar nicht zu sehen sein. Aber wir waren nur einmal bisher auf diesem Teil von Arganon, als wir auf die dunkle Seite gingen, wahrscheinlich war er damals nicht aufgegangen oder wir haben es nicht beachtet.“
    Sie kamen nicht dazu, sich weiter darüber den Kopf zu zerbrechen, denn sie hörten hinter einer der breiten Steintafeln ein leises, aber dennoch vernehmliches Wimmern.
    Zunächst glaubten sie wieder einmal an eine Sinnestäuschung. Sie wollten schon weiter gehen, als sie erneut diese klagenden Laute vernahmen. Sie klangen im Gegensatz zu den vorher lieblichen Gesängen der Kinder herzerweichend und nicht so beglückend für die Seele.
    Sie eilten in die Richtung, aus der der Laut kam.
    Da sahen sie, hinter einem Grabstein kauernd, ein Kind. Sie erschraken vor dem Anblick des kleinen Wesens.
    Die Kleidung hing in Fetzen am Körper. Als sie näher herankamen, sahen sie durch das helle Mondlicht silbern beleuchtet, Flecke in einer dunkelroten Färbung auf den unbedeckten Körperteilen, aber auch derartige auf dem Rest der Kleidung.
    Vanessa lief ungeachtet dessen, es könnte eine Falle sein, zu diesem klagenden Wesen, das zunächst einmal versuchte aufzustehen, um wegzulaufen. Es schaffte zwar sich halb zu erheben, fiel aber ermattet zur Seite. Zum Glück konnte Vanessa es noch rechtzeitig abfangen, es wäre sonst mit dem Kopf gegen die Steinplatte geschlagen.
    Vanessa setzte sich auf den Boden und legte das Haupt dieser armen Kreatur auf ihren Schoß. Sie strich sanft über die schmutzige Stirn und flüsterte, als sie das Zittern des Kindes bemerkte: „Keine Angst, wir tun dir nichts.“
    Sie musste ihre Tränen unterdrücken, als ihre Blicke den Körper des Kindes abtasteten. Die Flächen der Haut, die sie durch die zerschlissene Kleidung sehen konnte, waren mit vielen Narben übersät. Einige sahen älter aus, andere wiederum frisch, fast als wären sie erst vor Kurzem zugefügt worden.
    Vinc stand da und sah schweigend zu, wie seine Freundin ihren Gefühlen freien Lauf ließ. Er kannte sie zu gut, um nicht zu wissen, was in ihr in diesem Moment vorging, genau dasselbe wie bei ihm. Wenn er sah, wie ein Kind einem Martyrium ausgesetzt war, gequält wurde, überkam auch ihn eine unsagbare Wut. So fasste er unbewusst

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