Unheimliche Begegnungen (German Edition)
Er merkte, wie sie fester drückte. War es ihre Angst oder erwiderte sie auch die Gefühle, die Vinc ihr gegenüber hegte? Oder war es nur eine kleine Geste?
Doch Vinc konnte kaum darüber nachdenken, denn er spürte eine Gefahr. Er wusste nicht welche, aber sein Instinkt sagte ihm, dass sie stehen bleiben sollten.
„Hört ihr ihn?“, fragte Vanessa. Ihre Stimme klang zittrig. Vinc bemerkte am Vibrieren ihrer Hand, dass sie Angst hatte.
„Wen denn“, fragte er, obwohl auch er das Bellen eines Hundes vernahm. Aber er wollte sie, indem er den Unwissenden spielte, zunächst beruhigen, was Tom durch seine Bemerkung in das Gegenteil umwandelte, denn er meinte: „Meinst du den Hund von Basker …Autsch!“ Bevor er den Satz beenden konnte, trat ihn Vanessa, die seine Hand auf der rechten Seite gefasst hatte, kräftig auf den Fuß. „Tut doch weh. Was haste denn für Schuhe an? Sind die aus Eisen?“
Vanessa sagte unberührt von Toms Schmerzensschrei: „Halte mal endlich dein Maul und nerve mich nicht mit deinem bescheuerten Hund aus dem Krimi.“
Vinc erkannte an dem unüblichen Wort Maul, welches Vanessa eigentlich nie benutzte, jedenfalls einem Menschen gegenüber, dass sie auf das Äußerste erregt war und ihre Nerven sich wohl in größter Anspannung befanden. Aber er gab innerlich zu, auch nicht gerade im Moment einen Helden spielen zu wollen. Und dann geschah wieder etwas Seltsames.
Der Nebel verschwand ebenso schnell, wie er gekommen war. Aber was sie vor sich sahen, ließ sie vor Schreck fast auf den Boden setzen. Unmittelbar vor ihnen befand sich eine Schlucht. Und wieder fiel ihnen die Warnung vor diesem Dunst ein.
Sie standen dem Abgrund so nahe, dass sie nur einen Schritt zu machen brauchten, um in die Tiefe zu stürzen. Vinc machte unwillkürlich einen Satz rückwärts und riss Vanessa mit sich. Sie aber ließ vor Schreck Tom los und er taumelte nach vorne. Er schwankte hin und er. Er zappelte mit den Armen und versuchte damit, einen drohenden Absturz in die Tiefe zu verhindern. Es schien, als würde ihm das nicht gelingen, denn er bekam immer mehr den Drang nach vorne. Dann stürzte er hinab. Er war so erstarrt vor Schreck, dass er nicht einmal einen Todesschrei von sich gab.
Vinc sah diesen Todesfall voraus und sprang nach vorn, um ihn noch festzuhalten, aber seine Hände griffen ins Leere. Er drohte ebenfalls das Übergewicht zu verlieren und Tom zu folgen, aber er konnte sich davor bewahren, indem er sich einfach fallen ließ und unsanft auf dem harten Steinboden aufkam.
Vanessa hatte sich inzwischen auch setzen müssen, denn das grausame Ereignis, ihren Bruder in die Tiefe stürzen zu sehen, ließ die Muskeln ihrer Beine erschlaffen.
Vinc raffte sich auf und eilte zu ihr. Er setzte sich neben sie, obwohl sein Hinterteil durch den harten Fall schmerzte. Er legte mitfühlend seinen Arm um ihre Schultern und drückte sie an sich. Es fiel ihm nicht leicht, tröstende Worte zu finden, zumal er sich erst einmal selbst besänftigen musste, da sein bester Freund vermutlich ums Leben kam.
„Ich werde noch wahnsinnig! Ich kann nicht mehr! Diese verrückten Zeitspiele machen einen richtig blöde! Keinem, dem man trauen kann! Personen die andere sind als die, die wir sehen! Nebel, der uns in andere Gebiete bringt! Bin ich nun Vanessa oder diese Rexina?!“ Sie schrie diese Sätze regelrecht heraus.
Vinc umarmte sie und sagte tröstend: „Du bist meine Vanessa, die liebe.“
Sie hörten eine wohlklingende weibliche Stimme hinter sich.
„Dreht euch nicht um“, befahl sie.
Vanessa und Vinc brauchten diese Aufforderung nicht, denn selbst wenn sie wollten, ließen die Ereignisse und das Erschrecken über die unverhoffte Stimme jeden Muskel ihres Körpers in einer starren Haltung verweilen.
„Wenn ihr euch umdreht, seid ihr des Todes“, sprach das engelsgleiche Organ.
Vinc war versucht, danach zu sehen, aus wessen Gestalt diese liebliche Stimme stammte. Sie schien es zu bemerken und forderte ihn noch intensiver auf, seine Neugier zu zähmen.
„Ihr müsst dort hinunterspringen, denn auf diesem Felsen dürft ihr nicht sein. Hier ist der Eingang… “
„zur dunklen Seite“, unterbrach Vinc erregt.
„Nein. Zur Unendlichkeit. Ich bin die Wächterin. Jeder, der hierher kommt, ist des Todes. Ich heiße Liberia. Ich bin die schwebende Frau.“
Vinc und Vanessa fragten verwundert, fast gleichzeitig: „Liberia? Schwebende Frau?“
„Ihr habt nicht viel Zeit, daher werde ich mich
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