Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay
unbeseelten Körper, der nachts durch einen unheimlichen und grauenhaft blutgetränkten Wald irrt, und von einem Mann, der von Familienerinnerungen geplagt wird und den Tod in den Klauen des
Wesens findet, das einst seine heißgeliebte Mutter war. »The Damned Thing«, häufig in populären Anthologien nachgedruckt, liefert die Chronik der schrecklichen Verwüstungen, die ein unsichtbares Wesen auf seinen Streifzügen durch Gebirg und Feld anrichtet. »The Suitable Surroundings« beschwört mit einzigartiger Subtilität, doch scheinbarer Einfachheit, das durchdringende Gefühl des Schreckens, welches das geschriebene Wort auszulösen vermag. In der Geschichte sagt der Schriftsteller Colston, Autor unheimlicher Erzählungen, zu seinem Freund Marsh: »Du bist mutig genug, mich in der Straßenbahn zu lesen, doch - in einem verlassenen Haus - allein - im Wald - in der Nacht! Pah! Ich habe ein Manuskript in der Tasche, das dich töten würde!« Marsh liest das Manuskript in der »passenden Umgebung« - und es tötet ihn wirklich. »The Middle Toe of the Right Foot« endet, trotz unbeholfener Erzählweise, mit einem gewaltigen Höhepunkt. Ein Mann namens Man ton hat auf grauenhafte Weise seine beiden Kinder und seine Frau ermordet; dieser fehlte der mittlere Zeh des rechten Fußes. Zehn Jahre später kehrt er sehr verändert in die heimische Gegend zurück; und da man ihn insgeheim erkennt, wird er zu einem Duell im Dunkeln herausgefordert, das in dem nun verlassenen Haus, der Stätte seines Verbrechens, mit Bowiemessern ausgetragen werden soll. Als der Augenblick des Duells kommt, spielt man ihm einen Streich und schließt ihn in ein stockfinsteres Zimmer im Erdgeschoss des Hauses ein, in dem es angeblich spukt und wo überall dick der Staub eines Jahrzehnts liegt; dort lässt man ihn allein, ohne einen Gegner. Kein Messer wird gegen ihn gezückt, denn ihm soll nur ein gründlicher Schrecken eingejagt werden; doch am nächsten Tag findet man ihn zusammengekauert in einer Ecke, mit verzerrten Zügen, tot: gestorben aus schierer Angst vor etwas, das er gesehen hatte. Der einzige Anhaltspunkt, der entdeckt wird, lässt Schreckliches ahnen: »Im Staub der Jahre, der dick den Boden deckte, führten in drei parallelen Linien Fußspuren von der Tür, durch die sie hereingekommen waren, quer durch das Zimmer zum zusammengekauerten Leichnam Mantons und brachen etwa einen Meter vor ihm ab - leichte, doch deutliche Abdrücke nackter Füße, außen die kleiner Kinder, innen die einer Frau. Von dem Punkt, an dem sie endeten, führten sie nicht zurück; sie wiesen alle in eine Richtung.« Und selbstverständlich zeigte die Spur der Frau, dass der mittlere Zeh des rechten Fußes fehlte. »The Spook House«, erzählt im streng glanzlosen Ton eines der Wahrscheinlichkeit verpflichteten Journalismus, vermittelt schreckliche Ahnungen eines
erschütternden Geheimnisses. 1858 verschwindet plötzlich und unerklärlich eine siebenköpfige Familie aus ihrem Haus auf einer Plantage im östlichen Kentucky, und ihr ganzer Besitz bleibt unberührt zurück - Möbel, Kleidung, Lebensmittel, Pferde, Vieh und Sklaven. Ungefähr ein Jahr später zwingt ein Sturm zwei Herren hohen Standes, in dem verlassenen Anwesen Zuflucht zu suchen; dabei geraten sie zufällig in einen sonderbaren unterirdischen Raum, den ein rätselhaftes grünes Licht erleuchtet und der mit einer Eisentür versehen ist, die sich von innen nicht öffnen lässt. In diesem Raum liegen die verwesten Leichen aller vermissten Familienmitglieder; und als einer der Entdecker auf sie zustürzt, um einen Körper, den er zu erkennen glaubt, in die Arme zu schließen, wird der andere von dem extremen Gestank derart überwältigt, dass er seinen Gefährten versehentlich in dem Gewölbe einschließt und dann das Bewusstsein verliert. Als der Überlebende sechs Wochen später wieder bei Sinnen ist, vermag er den verborgenen Raum nicht mehr zu finden; das Haus aber geht im Bürgerkrieg in Flammen auf. Von dem eingeschlossenen Entdecker ward niemals mehr etwas gehört oder gesehen.
Bierce setzt die atmosphärischen Möglichkeiten seiner Themen selten mit der Lebendigkeit Poes in literarische Wirklichkeit um, und viele seiner Werke enthalten einen bestimmten Zug von Naivität, prosaischer Ungelenkheit und früh-amerikanischem Provinzialismus und bilden so einen gewissen Kontrast zu den Bemühungen späterer Meister des Grauens. Dessen ungeachtet bleiben Echtheit und Kunstfertigkeit seiner dunklen
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