Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)
Gehirn mit: »He, daran solltest du dich lieber erinnern!«, wobei sie teilweise die hebbsche Plastizität verstärken. Infolgedessen erinnern wir uns an die sehr angenehmen und sehr unangenehmen Episoden unseres Lebens sehr viel besser als an diejenigen, die keine besonderen Folgen hatten. Ereignisse, die unerwartete Belohnungen hervorrufen, veranlassen die Freisetzung von Dopamin und Acetylcholin; diese erhöhen die Häufigkeit des Verhaltens, indem sie durch entsprechende synaptische Veränderungen die Verknüpfung zwischen der Situation und dem Verhalten verstärken. Wenn wir ohne große Erwartungen ein Restaurant aufsuchen und dort wirklich gutes Essen bekommen, setzt unser Gehirn Dopamin und Acetylcholin frei, mit dem Erfolg, dass wir dort häufiger hingehen. Sobald wir erwarten, dass wir dort hervorragend essen, schüttet unser Dopaminsystem seinen Neurotransmitter nicht mehr aus. Das bedeutet nicht unbedingt, dass wir das Restaurant in Zukunft meiden, sondern nur, dass wir es nicht noch öfter besuchen. Bekommen wir enttäuschendes Essen, steigt der Dopaminspiegel: Wir werden uns an die Situation gut erinnern, aber die Verknüpfung zwischen der Situation und dem Verhalten wird schwächer und infolgedessen die Häufigkeit unserer Besuche abnehmen.
Dank Dopamin und Acetylcholin ist das Gehirn der meisten Tiere mit einem Mechanismus ausgerüstet, der ihnen gestattet, aus den Ergebnissen des eigenen Handelns zu lernen. Wenn sich ein Tier in einer bestimmten Situation in einer bestimmten Weise verhält, sind drei Aspekte, auch als Lerndreieck bezeichnet, von Bedeutung: die Situation, das Verhalten und das Ergebnis.
Die Entdeckung gemeinsamer Schaltkreise sowohl für Handlungen als auch für Gefühle zeigt das Problem des sozialen Lernens in einem neuen Licht. Stellen Sie sich vor, Sie gehören einer Gruppe Frühmenschen an und betreten mit ihr ein neues Waldstück, dessen Bäume voller fremdartiger Früchte sind. Keines der Ihnen bekannten Nahrungsmittel steht zur Verfügung, und Ihr Magen knurrt. Sie könnten selbst eine der Früchte probieren, doch damit würden Sie ernsthaft Gefahr laufen, sich zu vergiften und zu sterben. Viel günstiger ist es, andere zu beobachten. Wenn Sie einen Einheimischen in eine rote Frucht beißen und ein glückliches Gesicht machen sehen, passieren drei Dinge in Ihrem Gehirn. Erstens aktivieren Sie prämotorische, parietale und somatosensorische Programme zum Pflücken und Essen dieser Früchte, weil Sie diese Handlungen dank Ihres Spiegelsystems miterleben. Zweitens aktivieren Sie visuelle Repräsentationen der Situation – des Waldes und dieser besonderen Frucht. Drittens aktivieren Sie Gehirnregionen, mit deren Hilfe Sie das positive Ergebnis des Verhaltens mitempfinden. 49, 57 Im Spiegel der gemeinsamen Schaltkreise erleben Sie jetzt also das ganze Dreieck des individuellen Lernens: Ihre (simulierte) Handlung, Ihre (simulierte) Zufriedenheit und die Situation nebst der besonderen Frucht. Sie brauchen also keinen besonderen Mechanismus für das soziale Lernen, denn Ihr archaischer Mechanismus für individuelles Lernen bekommt jetzt stellvertretend alle Informationen, die Sie lernen müssen. Infolgedessen werden Sie den Verzehr dieser Frucht mit dieser besonderen Situation verknüpfen und lernen, die Frucht zu essen.
Wenn Sie andererseits sehen, wie Ihr Freund eine rote Schote isst, rot im Gesicht wird, sie ausspuckt und in seinem Gesichtsausdruck Furcht und Schmerz erkennen lässt, erzeugen Ihre gemeinsamen Schaltkreise ein ganz anderes Lerndreieck. Die Handlung Essen und die Situation Wald und rote Schote assoziieren Sie mit dem negativen Ergebnis Schmerz. Infolgedessen werden Sie sich zwar an das Ereignis erinnern, doch das negative stellvertretende Ergebnis wird den Dopaminspiegel senken, sodass die Verknüpfung zwischen Schoten und Essen geschwächt wird. Während also das für Handlungen zuständige Spiegelsystem beim Essen der Frucht und der Schote ähnlich reagiert, verändern die gemeinsamen Schaltkreise die Lernsequenz nachhaltig. Die Verbindung zweier gemeinsamer Schaltkreise, des einen für Handlungen und des anderen für Gefühle, verwandelt ein Basissystem individuellen Lernens, das wir mit allen anderen Tieren gemeinsam haben, in ein äußerst effektives System stellvertretenden sozialen Lernens.
Da wir, wenn wir von emotionalen Situationen oder Handlungen lesen, eine ähnliche Gruppe von Schaltkreisen aktivieren wie beim Anblick solcher Situationen, kann auch
Weitere Kostenlose Bücher