Unter dem Banner von Dorsai
Fliederbüsche, deren Blüten einige Tage alt waren. Die Wiese selbst war grün und bot einen angenehmen Anblick mit dem jungen und frischen Gras des gerade beginnenden Frühjahrs und dem Weiß und Purpur des Flieders. Die Variformeichen hinter den Fliederbüschen bildeten verschwommene Konturen, in der kleine, neue Blätter wuchsen.
In der Mitte dieser ganzen Szenerie, im Mittelpunkt der Wiese, schritten schwarzgekleidete Gestalten mit Berechnungsgeräten umher und vermaßen und untersuchten die Möglichkeiten des Tötens und Sterbens von allen Seiten. Genau in der Mitte der Wiese hatten sie aus irgendeinem Grunde Markierungspfähle aufgestellt: ein einzelner Pfosten, dann einer davor mit zwei weiteren zu beiden Seiten und dann noch einer vor diesen dreien. Weiter vorn befand sich ein anderer einzelner Pfosten. Er lag auf dem Boden, als sei er umgestürzt oder beiseite geworfen worden.
Ich wandte mich ab und sah wieder auf in das hagere und junge Gesicht des Soldaten.
„Bereiten Sie sich darauf vor, die Exoten zu schlagen?“ fragte ich.
Er faßte meine Worte als direkte und ehrlich gemeinte Frage auf, als hätte meine Stimme ganz und gar nicht ironisch geklungen.
„Ja, Sir“, sagte er ernsthaft. Ich musterte ihn und blickte dann in die straffen Mienen und klaren Augen seiner Kameraden.
„Schon einmal daran gedacht, daß Sie auch verlieren könnten?“
„Nein, Mr. Olyn.“ Er schüttelte feierlich den Kopf. „Niemand verliert, der im Namen des Herrn in die Schlacht zieht.“ Er bemerkte, daß ich davon erst noch überzeugt werden mußte und fuhr ernst und würdevoll fort: „Er hat Seine Hand auf Seine Heiligen Soldaten gelegt. Und daher bleibt ihnen nur der Sieg – oder manchmal der Tod. Und was ist schon der Tod?“
Er sah seine Kameraden an, und sie alle nickten.
„Was ist schon der Tod?“ wiederholten sie.
Ich betrachtete sie. Dort standen sie und fragten mich und sich selbst, was der Tod sei … als sprächen sie von einem zwar harten, aber notwendigen Job.
Ich hatte eine Antwort für sie parat, aber ich sprach sie nicht aus. Der Tod, das war ein Gruppenführer – ein Quäker wie sie selbst –, der Soldaten wie ihnen den Befehl erteilte, Gefangene zu ermorden. Das war der Tod.
„Rufen Sie einen Offizier“, sagte ich. „Mein Passierschein erlaubt mir die Weiterfahrt.“
„Ich bedaure, Sir“, antwortete derjenige, der zu mir gesprochen hatte, „aber wir können unseren Posten nicht verlassen, um einen Offizier zu holen. Doch es kommt bald ohnehin einer hierher.“
Ich hatte so eine Ahnung, was „bald“ bedeutete, und ich lag richtig damit. Es wurde Mittag, bevor ein Truppenführer kam, die Soldaten Essen fassen ließ und mir die Weiterfahrt gestattete.
Als ich Kensie Graemes Hauptquartier erreichte, stand die Sonne schon tief und überzog den Boden mit den langen Schatten von Bäumen. Und doch war es, als erwache das Lager gerade erst.
Man mußte kein Militärfachmann sein, um zu erkennen, daß die Exoten nun endlich gegen Jamethon ins Feld zogen.
Ich traf Janol Marat, den Kommandeur von Neuerde.
„Ich muß Truppen-Kommandeur Graeme sprechen“, sagte ich.
Wir kannten uns inzwischen recht gut, doch er schüttelte nur den Kopf.
„Das ist jetzt nicht möglich, Tam. Es tut mir leid.“
„Janol“, sagte ich, „diesmal geht es nicht um ein Interview. Es ist eine Sache von Leben und Tod. Im Ernst. Ich muß Kensie sprechen.“
Er starrte mich an. Ich starrte zurück.
„Warten Sie hier“, sagte er. Wir standen bereits im Büro des Hauptquartiers. Doch er ging wieder hinaus und ließ mich für etwa fünf Minuten allein. Ich stand da und lauschte dem Ticken der Wanduhr. Dann kam er zurück.
„Hier entlang“, sagte er.
Zwischen den gewölbten Blasen
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