Unter dem Blauen Mond: Die Legende von Falk und Fischer (Dämonenkrieg) (German Edition)
verspeisen.“
Der königliche Bote sah ihn völlig ungerührt an und reichte Sir Robert eine verschlossene und mit dem persönlichen Siegel der Königin versiegelte Schriftrolle. Er nahm sie automatisch entgegen und sah sie wie betäubt an, während ihn der Bote kritisch von oben bis unten betrachtete.
„Mir wurde aufgetragen, auf Eure Antwort zu warten, Sir Robert“, sagte er gespreizt.
„Sprich leiser“, grummelte Sir Robert. „Wenn du mich ganz weckst, dann werden wir es beide bereuen.“ Er drehte dem Boten den Rücken zu und stolperte hinüber zu seinem Sekretär. Er musste im letzten Moment dessen Kante packen, um nicht hinzufallen, und ließ sich vorsichtig in seinen Stuhl sinken. Er dokterte am Wachssiegel der Rolle herum, seine Finger waren taub und ungeschickt. Er hätte nie so viele schwarze Pillen nehmen sollen. Er kratzte für einen peinlich langen Augenblick an dem Wachssiegel, konnte es dann endlich brechen und riss das Papier dabei ein.
Der Bote beobachtete alles von der Türschwelle aus und blieb erstarrt und lautlos.
Sir Robert zwang sich, sich auf die handgeschriebene Notiz zu konzentrieren. Es war eine Aufforderung der Königin. Sie befahl ihm, an einer besonderen Versammlung des Hofstaates teilzunehmen. Sofort, wenn nicht sogar noch schneller. Keine Ausflüchte. Da sie in Felicitys eigener Handschrift geschrieben war und nicht von einem Hofschreiber, bedeutete das, es war eine private Aufforderung. Geheim. Sir Robert fühlte sich dümmlich zufrieden, weil er die Implikation begriff. Eine besondere, geheime Sitzung des Hofstaates bedeutete, dass sie wichtige Dinge diskutieren würden. Dinge, die er wissen musste. Also musste er hin. Nur … waren das gute Neuigkeiten oder schlechte? Anerkennung oder Anklage? Wie viel wusste die Königin über all die Dinge, die er in seiner Zeit gesagt und getan hatte?
Seine Gedanken wirbelten jetzt überall hin, und er hatte keine Ahnung, wie lange er dasaß und ausdruckslos auf die zerrissene Schriftrolle starrte, bis sich der Bote auf seiner Türschwelle räusperte. Natürlich, der Bote wartete auf Antwort. Robert musste etwas sagen.
„Sag ihrer Majestät … ich freue mich, ihre … ich nehme ihre freundliche Einladung mit Vergnügen an. Ich werde da sein.“ Seine Zunge fühlte sich an, als sei er betrunken, und seine Worte waren so genuschelt, dass selbst er sie kaum verstehen konnte. Sir Robert hätte weinen können. Es war ungerecht. Er war nicht in der Verfassung, hiermit fertig zu werden. Warum musste die Königin jetzt nach ihm schicken? Er brauchte Schlaf. Er schwankte auf seinem Stuhl.
„Jesus, Ihr seht ja übel aus“, sagte der Bote, und in seiner Stimme lag genauso viel Enttäuschung wie Ekel. „Kommt, wie Ihr seid. Wenn Ihr könnt.“
Er drehte sich um und ging, und das Geräusch der Tür, die hinter ihm zuschlug, war fast unerträglich laut. Sir Robert fummelte mit tauben Fingern seine Schlüssel hervor und suchte nach dem, der das Geheimfach in seinem Sekretär öffnen würde. Er brauchte mehr Pillen. Etwas, um ihn aufzuwecken, um seine Sinne wieder zu schärfen. Etwas, das ihn zu dem Mann machte, der er einst gewesen war.
Sir Vivian sprach mit der Herrin vom See. Er hatte sie an einen seiner liebsten, heimlichsten Orte gebracht, eine Waldlichtung im Innern des Gebäudes, tief im Herzen des Nordflügels. Sie lag weit abseits der ausgetretenen Pfade, so weit abseits, dass nur ein paar Leute überhaupt wussten, dass es sie gab. Sir Vivian war glücklich, wenn es dabei blieb.
Die Lichtung war völlig autark, eine Oase der Vegetation innerhalb des kalten Steins der Burg. Es gab Laubbäume und Sträucher, grasige Wiesen und bemooste Ufer um einen schlanken, gurgelnden Bach herum, der aus dem Nichts kam und ins Nichts lief, alles angeordnet um einen zierlichen Steinbrunnen, dessen sprudelndes Wasser sich hoch in die Luft erhob. Der üppige Geruch von Erde, Gras und lebendigen Dingen hing schwer in der Luft, und alle Zweige der Bäume hingen tief herab vom Gewicht des Sommerlaubes. Die Waldlichtung war ein friedlicher Ort, und das einzige Geräusch war das Gurgeln des Brunnens. Sir Vivian kam hierher, wenn er Ruhe brauchte, einen Ort, um seine Gedanken zu ordnen und auf sein Herz zu hören. Er war ein bisschen ängstlich gewesen, als er der Herrin seinen besonderen Ort zeigte, aber sie hatte den Ort sofort geliebt. Im Augenblick manifestierte sie sich in den Wassern des Brunnens und stand hochgereckt und stolz da, während Wasser
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