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Unter dem Eis

Unter dem Eis

Titel: Unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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angerufen hat. Als ob sie ihn nun, da ihr schlimmster Alptraum wahr geworden ist, nicht mehr bräuchte. Oder ist das Schweigen ihre typisch weibliche Art, Missbilligung dafür zu zeigen, dass sich ihr Sohn zu sehr um seine Karriere kümmert? Er hat keine Zeit, es herauszufinden, hat keine Lust, darüber nachzudenken. Keine Lust, keine Nerven, keine Kapazität.
    »Freitag ist also die Beerdigung«, sagt seine Mutter leise.
    »Ich nehme mir frei«, verspricht er ihr, spießt das letzte Stück Wurst auf die Plastikgabel, hofft inständig, dass er den Fall bis dahin abgeschlossen haben wird.
    Doch vorerst sieht es nicht danach aus. Geschäftsgebäude und Wohnhaus der Familie Petermann liegen im Dunkeln, auch Mannis Klingeln ändert daran nichts. Wut treibt ihn zurück in den Wagen, Wut jagt ihn zum Reihenhaus der Familie Stadler, dessen Fenster ebenfalls unbeleuchtet sind. Manni drückt auf die Klingel, hört den vertrauten Dreifachgong im Inneren, zuckt zusammen, als Martina Stadler nur Sekunden später die Haustür öffnet.
    »Was um Himmels willen …« Sie zieht die Wollstola enger um ihre Schultern.
    »Ich muss Ihren Mann sprechen. Sofort.«
    »Frank ist im Garten. Sie kennen den Weg.« Sie macht kehrt und verschwindet. Manni schließt die Haustür hinter sich, sieht auf dem Weg durchs Haus Martina Stadler in der Küche. Sie scheint seine Anwesenheit bereits vergessen zu haben. Kauert regungslos auf ihrem gewohnten Platz auf der Eckbank, die Beine vor die Brust gezogen, den Blick in der Dunkelheit verloren.
    Frank Stadler sitzt auf den Stufen unterhalb der Terrasse, dort, wo auch Manni saß, als er Martina Stadler beim Blumengießen zusah und von Miss Cateye träumte. Beinahe wie die Erinnerung an glückliche Tage erscheint ihm das nun. Tage, an denen es noch Hoffnung gab. Hoffnung, dass ein verschwundener Junge lebendig zurückkommen könnte. Hoffnung, Miss Cateye wiederzusehen und möglicherweise sogar seinen Vater.
    Stadler trinkt Wein aus der Flasche. Als Manni seinen Namen sagt, springt er auf und wirkt einen Moment lang völlig orientierungslos. Dann deutet er auf den Gartentisch und zündet ein Windlicht an.
    »Tim Rinker ist verschwunden. »Jonnys bester Freund. Es sieht nicht gut aus.« Manni hat keine Lust auf Höflichkeiten. Stadler verschweigt noch immer etwas. Jetzt ist er dran.
    »Tim? Mein Gott!« Stadler sinkt auf einen Holzstuhl, vergräbt das Gesicht in den Händen.
    »Samstagnachmittag, als Jonny verschwand«, sagt Manni. »Jonny war auf dem Rastplatz, Sie waren auch dort, mit ihrem Freund Volker Braun.«
    »Das haben wir doch schon besprochen. Ich habe Jonny nicht gesehen.«
    »Er war dort.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen …«
    »Ihr Stiefsohn ist tot, sein bester Freund ist vermutlich in Lebensgefahr. Was ist da so wichtig, dass sie es nicht sagen können? Reden Sie endlich, Mann. Oder wollen Sie, dass noch ein Junge stirbt?«
    Der Schein des Windlichts flackert in Stadlers Gesicht, vertieft die Linien, die es vor einer Woche noch nicht darin gab.
    »Behandeln Sie das vertraulich?«
    »Soweit es geht.«
    »Wie gesagt, Volker steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Er hat vor zwei Jahren ein Haus gekauft, einen sanierungsbedürftigen Altbau mit großem Grundstück, für die Kinder. Viel Arbeit, viel Geld, aber gut durchkalkuliert. Doch ein Jahr nachdem sie eingezogen waren, gab es den ersten Wasserschaden. Ich erspare Ihnen die Details, jedenfalls bedingte eine Reparatur die andere, die Kosten explodierten und der Kreditrahmen war ausgeschöpft. Hagen Petermann hat Volker dann ein zinsloses Darlehen gewährt 20 000 Euro.«
    »Hagen Petermann?«
    Stadler nickt. »Damit war Volker gerettet. Zum Dank hat er Petermanns Firma bei einer Ausschreibung berücksichtigt – Volker ist Referent im Düsseldorfer Verkehrsministerium. Oder sagen wir mal, er hat dafür gesorgt, dass Petermann den Auftrag bekam.«
    »Bestechung. Wovon man im Ministerium nichts wissen durfte.«
    »Es hätte ihn seinen Job gekostet und damit wirklich ruiniert. Ein Mal, dachte Volker. Nur ein Mal. Aber Petermann wollte mehr.«
    »Also hat Ihr Freund Sie um Hilfe gebeten.«
    »Ich habe Ihnen das nicht gesagt, weil ich Volker schützen wollte.«
    Mehr als deinen Stiefsohn, denkt Manni. Erklär das deiner Frau. Erklär das deinem toten Stiefsohn. Erklär dir das selbst, wenn du morgens in den Spiegel schaust.
    »Haben Sie auf dem Rastplatz über Petermanns Erpressungsversuche gesprochen?«, fragt er.
    Stadler nickt, das

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