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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Bomben-Ketsch. Er hatte alle Kommandanten kennengelernt und wußte, was sie fühlten und dachten – alle, bis auf einen, der ihn immer wieder beschäftigte. Es war der tote Kapitän der
Reaper
. Bolitho betrachtete die Meuterei als etwas Persönliches. Die Tyrannei des Kapitäns war ein Schandmal, das er hätte entfernen müssen, bevor es zu spät war.
    Gerechtigkeit, Disziplin, Rache. So etwas durfte man nicht übersehen.
    Und wie stand es um Keen, einen der letzten der »kleinen Gemeinschaft Verschworener«? War sein Interesse an Gilia St. Clair nur vorübergehend?
    Er sah zur Decke, als vertraute Schritte auf dem Achterdeck zu hören waren. Tyacke inspizierte noch einmal die Wachgänger, bevor die Dunkelheit das Schiff und seine beiden Begleiter einhüllte. Wenn der Geleitzug nun morgen im ersten Licht nicht auftauchen würde – was dann? Sie waren mehr als fünfhundert Meilen vom nächsten Land entfernt. Es mußte eine Entscheidung fallen.
Doch ich entscheide nichts.
Auch Tyacke nicht. Wie immer, würde sie der Mann in der Achterkajüte zu fällen haben – der Admiral.
    Von dem Brief hatte er Tyacke nichts gesagt. Tyacke würde davon vielleicht etwas ahnen. Avery respektierte seine Zurückhaltung. Er mochte ihn inzwischen sehr, mehr als er nach ihrer ersten stürmischen Begegnung vor mehr als zwei Jahren in Plymouth für möglich gehalten hatte. Tyacke hatte noch nie Post bekommen. Kannte er niemanden an Land? Brauchte er keine Bindungen?
    Er gab Unis’ Brief an Allday zurück und hoffte, daß er ihn richtig vorgelesen hatte. Allday konnte selbst ferne und lange Signale an ihren Farben oder an ihrem Takt erkennen, hatte unendliche Geduld mit unbegabten Neuen oder mutlosen Midshipmen, denen er die Kunst von Spleißen und Knoten beibrachte. Allday konnte Schiffsmodelle so sorgfältig und präzise arbeiten, daß selbst die nörglerischste Teerjacke nur anerkennend nickte. Doch Allday konnte nicht lesen. Und auch nicht schreiben. Das schien grausam und ungerecht.
    Es klopfte, und Ozzard steckte den Kopf durch den Türspalt. »Sir Richard läßt grüßen. Würden Sie bitte nach achtern kommen auf ein Glas?« Allday übersah er wieder geflissentlich.
    Avery nickte. Er hatte die Einladung erwartet und gehofft, daß sie ausgesprochen wurde.
    Spitz fügte Ozzard hinzu: »Dies gilt auch für dich. Wenn du nicht wieder zuviel zu tun hast!«
    Wieder so ein Teil ihres Bordlebens: Die Unhöflichkeit von Ozzard konterte Allday nur mit einem breiten Grinsen. Den kleinen Mann hätte er mit der linken Hand umbringen können. Sie kannten des anderen Stärken und sicherlich auch seine Schwächen. Vielleicht kannten sie sogar seine eigenen?
    Seine Gedanken kreisten wieder um den Brief in seiner Tasche. Vielleicht hatte sie ihm nur aus Mitleid geschrieben, oder weil sie doch entsetzt war über die Geschehnisse der Nacht. Sie könnte sich selbst in Ewigkeiten nicht vorstellen, was ihr Brief ihm bedeutete. Nur ein paar Sätze, einfache Gefühle und Wünsche für die Zukunft. Sie hatte unterschrieben mit:
Deine ergebene Freundin Susanna.
    Das war’s. Er strich sich die Uniformjacke glatt und öffnete Allday die Tür. Für ihn war der Brief alles.
    Aber Avery war auch ein praktisch denkender Mann. Susanna, Lady Mildmay, Witwe eines Admirals, würde nicht lange allein bleiben. Sie könnte es wohl auch gar nicht. Sie hatte reiche Freunde, und er hatte erlebt, wie sicher und erfahren sie sich auf dem Empfang bewegt hatte, zu dem auch Bolithos Frau und Vizeadmiral Bethune erschienen waren. Er mußte an ihr Lachen denken, als er Bethunes Geliebte für seine Frau gehalten hatte.
War das alles gewesen?
    Susanna war also jetzt frei. Die Nacht mit dem einfachen Leutnant würde sie sicher bald vergessen haben. Doch er formulierte bei diesen Gedanken bereits den Brief, mit dem er ihr antworten würde, den ersten, den er je an jemand anderen als an seine Schwester geschrieben hatte.
    Er ging nach achtern zu der schwankenden Laterne, wo steif der Posten der Seesoldaten stand und die Tür bewachte.
    »Ich würde gern wissen, was Sir Richard will?« murmelte Allday.
    Avery blieb stehen. Um sich herum hörte er die Geräusche des Schiffs und der See.
    »Er braucht uns«, sagte er. »Ich weiß sehr genau, was das bedeutet.«
    Auf dem Achterdeck war es kalt. Es gab erst eine Andeutung von Tageslicht. Doch es würde schnell heller werden und die See öffnen.
    Bolitho hielt sich an der Achterdecksreling fest und fühlte den Wind im Haar und im Gesicht.

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