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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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nicht anmerken zu lassen.
    »Wir sollten langsam zurück«, erklärte er mit einer Geste in Richtung Haus. »Mein Zug geht in einer Stunde.« Wie er so vor ihr stand, im Sonnenlicht, das hell durch das Blattwerk der Bäume hindurchsickerte, die goldenen Litzen und Knöpfe seines Uniformrockes aufglänzen ließ, einen Schimmer um ihn legte, erinnerte sie sich an frühere Tage. An sein beharrliches Werben, ihre überschäumende, glückselige Verliebtheit, an den damaligen Glanz und die Leichtigkeit. Wo war all das geblieben? War es wirklich unmöglich, dass es zurückkehrte oder sich in etwas anderes, Schlichteres verwandelte, das dennoch nicht weniger Wert besaß?
    Impulsiv schlang sie die Arme um ihn. »Lass mir Zeit«, hauchte sie an sein Ohr, und sie spürte sein erleichtertes Ausatmen. »Alle Zeit der Welt«, flüsterte er zurück. Seine zarten Küsse auf ihrem Gesicht konnte sie noch dulden, aber als sein Mund den ihren suchte, entzog sie sich ihm, bog schließlich den Kopf zurück, heftiger als beabsichtigt.
    »Ich werde geduldig sein«, versprach er hastig und strich ihr über die Wange. »Ich weiß nicht, was dir dort draußen in Arabien widerfahren ist. Aber vielleicht wirst du es mir eines Tages erzählen können.«
    »Vielleicht«, murmelte Maya, doch ihrer Stimme fehlte jegliche Überzeugungskraft.
    Als sei sie niemals fort gewesen, nahm Maya ihr altes Leben in Black Hall wieder auf. Bezog ihr altes Zimmer, las, fertigte Übersetzungen an und schrieb Briefe. Doch ansonsten war nichts mehr wie früher. Aus Rücksicht auf die trauernde Familie fanden keine Diskussionsabende mit Gelehrten und Studenten im Hause statt. Auch der Besuch von größeren Teekränzchen oder gar Abendgesellschaften war undenkbar; Martha Greenwood bat nur in größeren Abständen einen ausgesucht kleinen Kreis befreundeter Ladys zum Tee, der in gedrückter Stimmung eingenommen wurde, Martha aber dennoch ein Trost war, denn die meisten von ihnen konnten ihren Schmerz nachfühlen, hatten sie doch auch einmal ein Kind, einen Ehemann oder ein anderes enges Familienmitglied verloren. Mayas und Angelinas Anwesenheit wurde dabei zwar nicht erwartet, war aber gewünscht, und Maya tat ihrer Mutter gerne den Gefallen, steckte sich zum in aller Eile für sie angefertigten Kleid aus schwarzem Krepp und Georgette sogar Ralphs neu gekauften Ring an die linke Hand. Auf die unausgesprochene Bitte ihrer Mutter hin trug sie ihn auch, wenn sie das Haus verließ, dennoch konnte sie es kaum erwarten, ihn wieder abzulegen, wenn sie sich in der Halle die Handschuhe von den Fingern pellte. Gewiss auch, weil sie es nicht rechtens fand, diesen Ring zu tragen, der Ralph offenbar so viel bedeutete, ihr dagegen so wenig; als Zeichen einer Ehe, die rasch keine mehr gewesen war und die sie gebrochen hatte. Selbst wenn sie die Einzige war, die davon wusste, und sich nach Kräften bemühte, keine Erinnerung daran zuzulassen.
    Hohn erfüllte sie, wenn sie bemerkte, wie sehr sich ihr Stand in der Gesellschaft Oxfords verändert hatte: Vom missachteten späten Mädchen mit merkwürdigen Anwandlungen zur ehrbaren Gattin eines wackeren Soldaten, die ihren Eltern selbstlos in dieser schweren Zeit Beistand leistete. Man sprach nicht einmal mehr über ihr Durchbrennen, und wenn, dann mit einem nachsichtigen Lächeln, als wollte man damit sagen: Nun ja, der Beginn war etwas stürmisch und wenig standesgemäß – aber die durchgegangenen jungen Pferde trotteten wieder brav in ihrem Gespann vor dem Karren gesellschaftlicher Regeln, wie es sich gehörte.
    Verwaist wirkte das einstmals so vor Leben strotzende Haus von Black Hall, zu groß geworden für den Rest der Familie Greenwood. Es hatte den Anschein, als hätte Jonathans Tod das Ende einer unbeschwerten Ära eingeläutet und den Beginn eines stillen, in sich gekehrten Daseins bedeutet. So wie auch Maya still und in sich gekehrt lebte. Ihre frühere Unrast, die Energie, mit der sie früher mit aller Macht versucht hatte, ihren Willen durchzusetzen, das fieberhafte Warten darauf, dass etwas geschah, war verloschen. Ebenso wie Mayas funkelnde Träume von Ferne und Abenteuer an der Wirklichkeit gescheitert und einer ernüchterten Sicht auf sich selbst und ihr Leben gewichen waren. Dennoch war sie froh um jeden Tag, der keine entscheidenden Neuigkeiten von Ralph brachte, der weiterhin persönlich oder per Brief den obersten Dienststellen Rede und Antwort stand und um seine Zukunft bangte, während er nach wie vor mit

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